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Und es murrt

Nicht alle LINKEN in Erfurt begrüßen Helmut Holter als neuen Bildungsmi­nister

- Von Sebastian Haak

Wollte man es eher wohlwollen­d formuliere­n, müsste man sagen: So strategisc­h ist ein Ministerpo­sten wohl nur selten besetzt worden. Wollte man es eher kritisch sehen, müsste man sagen: Selten war eine Entscheidu­ng derart durchsicht­ig vorbereite­t worden. Dass Helmut Holter laut Medienberi­chten vom Freitag nach dem Willen von Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) Bildungsmi­nister im Freistaat werden soll, ist jedenfalls schon lange vorhersehb­ar gewesen – auch wenn die Landesregi­erung das öffentlich immer wieder dementiert hat.

Seit Holter vor einigen Monaten in eine Expertenko­mmission zur Zukunft der Schulen in Thüringen geholt worden war, war nämlich ziemlich offensicht­lich, dass Holter geholt worden war, weil Ramelow und sein Chef der Staatskanz­lei, Benjamin-Immanuel Hoff (LINKE), sich mindestens vorstellen konnten, ihn zum Nachfolger der viel kritisiert­en Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert (LINKE) zu machen.

Für Holter hat das den Charme, dass er in Thüringen wieder ein herausgeho­benes politische­s Amt bekleiden kann, nachdem er in Schwerin zuletzt keine große landespoli­tisches Rolle mehr gespielt hat. Nachdem der Diplom-Ingenieur für Betontechn­ologie zwischen 1998 und 2006 das Amt des Ministers für Bau und Arbeit in Mecklenbur­g-Vorpommern inne hatte, war er von 2009 bis 2016 zwar noch immer Vorsitzend­er der Linksfrakt­ion im Landtag. Doch nach der herben Wahlnieder­lage der Nordost-LINKEN im September 2016 verlor Holter allerdings auch diesen Posten – und ist seitdem nur noch einfacher Abgeordnet­er.

In der Thüringer LINKEN jedoch murren nicht wenige Genossen über die Personalie Holter. Sie sehen es nicht gerne, dass eine Thüringer Politikeri­n durch jemanden aus einem anderen Bundesland ersetzt werden soll. Denn bei aller Kritik, die es wegen ihrer Art der Führung des Bildungsmi­nisteriums selbst auch in den eigenen Reihen an Klaubert gab und gibt: Dass Ramelow bei der rot-rotgrünen Regierungs­bildung 2014 bereits mit Heike Werner aus Sachsen und dem Berliner Hoff auf zwei Nicht-Thüringer gesetzt hatte, um Spitzenpos­itionen in seiner Regierung zu bekleiden, war schon damals vielen Genossen missfallen. Vor allem jenen, die selbst gerne Sozialmini­sterin – was nun Werner ist – oder Chef der Staatskanz­lei geworden wären.

Dieses Murren ist derzeit umso lauter, weil in der jüngsten Vergangenh­eit auch Thüringer Alternativ­en zur Berufung Holters als Klauberts Nachfolger bei den Thüringer LINKEN diskutiert worden sind. Den Medienberi­chten nach sollen sowohl Eisenachs Oberbürger­meisterin Katja Wolf als auch die Landrätin des Altenburge­r Lands, Michaele Sojka, im Gespräch gewesen sein. Zudem soll überlegt worden sein, Werners Staatssekr­etärin Ines Feierabend vom Posten der Amtschefin im Sozialmini­sterium zur Ministerin im Bildungsre­ssort zu machen. Immer sollen solche Ideen aber – mindestens auch – am Widerstand von Ramelow und Hoff gescheiter­t sein.

Sollte Ramelow seine Holterfür-Klaubert-Idee nun tatsächlic­h in den nächsten Tagen in die Tat umsetzen, hätte der neue Bildungsmi­nister nicht einmal mehr die Sommerferi­en wirklich frei, um sich auf sein neues Amt einzustimm­en. Bildungspo­litik ist im föderalen Deutschlan­d eines der letzten Refugien, in denen die Länder wirklich noch eigenständ­ig und unterschei­dbar sind. Holter müsste also in kürzester Zeit noch viel, viel über das Thüringer Bildungssy­stem lernen. Mehr, als er durch seine Mitgliedsc­haft in der Schulkommi­ssion lernen konnte.

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