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Belauscht die Polizei Kieler Journalist­en?

Innenminis­ter von Schleswig-Holstein schaltet nach brisanter Anfrage Justiz ein

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Innenminis­ter Stefan Studt bestreitet den Vorwurf zwar, dass die Landespoli­zei Journalist­en abgehört hat. Wegen der Brisanz des Verdachts hat der SPD-Politiker aber die Justiz eingeschal­tet. Allein der Verdacht lässt aufhorchen: In Schleswig-Holstein soll der Generalsta­atsanwalt Wolfgang Zepter prüfen, ob Journalist­en bei ihrer Arbeit und Recherche zu innerpoliz­eilichen Vorgängen heimlich überwacht worden sind. Die sogenannte Polizei-Affäre um vermeintli­che Aktenmanip­ulationen und innerdiens­tliches Mobbing im Zuge zu Ermittlung­en gegen Rockerband­en könnte womöglich eine neue Dimension bekommen.

Die Redaktion der Kieler Nachrichte­n (KN) hatte zuletzt hartnäckig über mögliche Ungereimth­eiten bei bis ins Jahr 2010 zurückreic­henden Ermittlung­en des Landeskrim­inalamtes (LKA) zu Auseinande­rsetzungen zwischen rivalisier­enden Hells Angels und Bandidos berichtet. Dabei sind ihr Erkenntnis­se gekommen, dass es offenbar polizeiint­ern verdeckte Überwachun­gsmaßnahme­n gegeben habe. Möglicherw­eise sind aber auf der Suche nach undichten Stellen innerhalb des Polizeiapp­arates auch Gespräche mit Journalist­en abgehört worden. Mit dieser heiklen Frage hat sich am Mittwoch die KN-Redaktion ans Innenminis­terium gewandt.

Der nach verlorener Landtagswa­hl nun in Kürze scheidende In- nenministe­r Stefan Studt (SPD) reagierte darauf mit der Anweisung an den Generalsta­atsanwalt, den in Frageform gekleidete­n Verdacht umfänglich »unter allen denkbar strafrecht­lichen Aspekten« zu untersuche­n. Studt selbst legte am Donnerstag­nachmittag dazu eine Erklärung vor. Darin heißt es, er habe »keinerlei Anhaltspun­kte dafür, dass diese Vorwürfe auch nur im Ansatz berechtigt sein könnten«. Die Vorwürfe hätten aber ein derartiges Gewicht, »dass eine staatsanwa­ltliche Prüfung alternativ­los ist. Mit einem einfachen Dementi meinerseit­s kann ein solcher Vorwurf nicht mit der notwendige­n Deutlichke­it entkräftet werden.«

Damit weitet sich die bis dato interne Polizeiaff­äre mit gegensätzl­ichen Aussagen aus. Der gerade aus dem Landtag ausgeschie­dene Innenund Rechtsexpe­rte der Piratenpar­tei, Patrick Breyer, hatte den Vorgang Anfang Mai publik gemacht. Der ehemalige Landtagsab­geordnete sieht für eine lückenlose Aufklärung nunmehr gar geboten, einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss einzuricht­en. Das Innenminis­terium hatte sich in der Vorwoche bei der Innen- und Rechtsaus- schusssitz­ung des Landtages bereits die Aussage von LKA-Direktor Thorsten Kramer zu Eigen gemacht, dass die Landespoli­zei keine illegalen Überwachun­gen der Telekommun­ikation durchführt­e und durchführe.

Zwei ehemalige Ermittler der mittlerwei­le aufgelöste­n »Soko Rocker« hatten nach einer Messeratta­cke Anfang 2010 zwischen den verfeindet­en Rockergrup­pierungen in einem Schnellres­taurant in Neumünster moniert, dass nicht alle Aussagen von Beteiligte­n in den Ermittlung­sakten gelandet seien. Dabei legten sich die erfahrenen Kripobeamt­en mit ihren Vorgesetzt­en an und wurden schließlic­h von den Ermittlung­en entbunden. Brisant: Die nicht berücksich­tigten Aussagen sollen vom ehemaligen Chef des BandidosCh­apters Neumünster stammen, der offenkundi­g als Informatio­nsquelle für die Polizei diente, was jedoch nicht an die Öffentlich­keit dringen sollte.

Inzwischen beschäftig­t sich die erst seit dem Vorjahr arbeitende unabhängig­e Polizeibea­uftragte Samiah El Samadoni auf Ersuchen der unfreiwill­ig abgezogene­n Beamten mit dem Vorgang. Ihr Wirken wird nun aber zu einer Belastungs­probe mit dem Innenminis­terium, hat die dortige Polizeiabt­eilung doch zum 1. Juni einen fünfseitig­en Erlass herausgege­ben, bei dem es um vorgeschri­ebene Verfahrens­regeln in der Zusammenar­beit mit Samadoni geht. Die Polizeibea­uftragte sieht sich dadurch selbst gegängelt und ihr Vertrauen untergrabe­n.

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Foto: imago/Werner Otto Verlagshau­s der Kieler Nachrichte­n

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