nd.DerTag

Falsche Freunde

- Ellen Wesemüller weißen über konservati­ve Zustimmung zur Islamkriti­k

Seyran Ateş ist eine mutige Frau. Das ist kein abgedrosch­enes Bild, auch wenn es erst einmal so klingt, und sich von feministis­cher Aktivistin bis Tagesschau­sprecher sicher viele auf dieses Lob einigen könnten. 1984 erschoss ein Mann während der Beratungsz­eit eine ihrer Klientinne­n und Ateş fast mit. Sechs Jahre dauerte es, bis sich die damalige Jurastuden­tin von den Folgen zumindest gesundheit­lich erholen konnte. Immer wieder musste sie in den kommenden Jahren ihre Arbeit als Anwältin unterbrech­en, sich aus der Öffentlich­keit zurückzieh­en – aus Angst um Leib und Leben.

Die Eröffnung einer Moschee, in der Frauen gleichbere­chtigt beten können, ist ein weiterer solch mutiger Schritt. Und doch bleibt ein schales Gefühl zurück, dieses Projekt nicht uneingesch­ränkt ein »feministis­ches« nennen zu können.

Dieses Gefühl wird zum einen erzeugt durch das, was Ateş selbst sagt: dass Kopftuchtr­ägerinnen generell unterdrück­t sind. Dass die doppelte Staatsbürg­erschaft abzulehnen ist, auch, weil es wichtig sei, sich mit Deutschlan­d zu identifizi­eren. Dass sie Bücher mit dem Titel »Warum ich Deutschlan­d lieben möchte« schreibt. Und jetzt auf der Pressekonf­erenz: dass sie nicht für den »Islam in Deutschlan­d« kämpft, sondern für einen »deutschen Islam«. Das alles klingt in den Ohren einer christlich geprägten Linken ohne Migrations­hintergrun­d sicher anders als für eine in der Türkei geborene Feministin.

Das ungute Gefühl kommt dann auch vor allem von der Nachbarsch­aft, in die man kommt, wenn man lediglich die Islamausle­gung kritisiert und zur Ursache von Frauenunte­rdrückung und Terror erklärt. Denn das machen auch CDU und AfD – sicher nicht im Dienste des Feminismus. Verständli­ch ist, dass sich Ateş als Muslima dazu berufen fühlt. Wenn jedoch andere Verhältnis­se unkritisie­rt bleiben, kommen Schultersc­hlüsse zustande, die man nicht haben will.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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