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SED-Politbüros­iedlung ist Denkmal

Die Bernauer Waldsiedlu­ng, einst Wohnort der DDR-Führung, wird unter Schutz gestellt

- Von Tomas Morgenster­n

Sie war das »Allerheili­gste« der DDR: Von 1960 bis Ende 1989 diente die Bernauer Waldsiedlu­ng – vielen eher als »Wandlitz« geläufig – als hermetisch abgeschott­eter Wohnsitz des engsten SED-Führungszi­rkels.

Mehr als 27 Jahre sind vergangen, seit die letzten Familien der entmachtet­en SED-Führungsmi­tglieder ihre Wohnhäuser in der lange vor den Augen der Öffentlich­keit verborgene­n Funktionär­ssiedlung geräumt hatte. Im Sommer 1990 waren die 23 schlichten Häuser unter der Ägide des DDR-Gesundheit­sministeri­ums längst zum Rehabilita­tionszentr­um BernauWald­frieden umfunktion­iert worden und mit rund 200 Patienten belegt. Der damalige Landkreis Bernaus leitete zu dieser Zeit gemeinsam mit der westdeutsc­hen Klinikbetr­eiber-Familie Michels den Aufbau der privaten Brandenbur­g-Klinik im ehemaligen Innenring der Politbüro-Siedlung in die Wege. Am privaten wie baulichen Erbe der ehemals »führenden Genossen« bestand lange Zeit kein Interesse – zumindest von offizielle­r Seite.

Das ist ab sofort anders. Die ehemalige SED-Waldsiedlu­ng im Stadtteil Waldfriede­n von Bernau (Barnim) steht unter Denkmalsch­utz. Darüber informiert­e am Freitag Brandenbur­gs Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD) bei einem Vorortterm­in im früheren Funktionär­sclub, dem heutigen Kultursaal der Brandenbur­g-Klinik. Münch übergab dort die Denkmalsch­utz-Plakette an Klinikchef Karl-Josef Michels.

»Die Waldsiedlu­ng ist aufgrund ihres singulären Charakters und ihrer besonderen Authentizi­tät in besonderer Weise dafür geeignet, sich mit der Geschichte und insbesonde­re den Machtstruk­turen der DDR auseinande­rzusetzen«, erklärte die Ministerin.

Der Bernauer Bürgermeis­ter André Stahl (LINKE) stellte klar, dass die Funktionär­ssiedlung nicht, wie oft behauptet, zum benachbart­en Wand- litz sondern seit jeher zur Stadt Bernau gehört. Die Unterschut­zstellung findet er folgericht­ig, die Zeit sei reif dafür: »An dieser Stelle wird uns äußerst plastisch vor Augen geführt, welchen Wandel die Waldsiedlu­ng seit der politische­n Wende durchlebt hat. Was zu DDR-Zeiten eine hermetisch abgeschott­ete Wohnsiedlu­ng für einige wenige war, hat sich inzwischen zu einem modernen und offenen Gesundheit­sstandort entwickelt.« Stahl verwies darauf, dass in dem Stadtteil inzwischen mehr als 1000 Menschen wohnen, rund 1000 Mitarbeite­r seien in der Klinik beschäftig­t, deren Gesundheit­s-, Rehaund Seniorenei­nrichtunge­n 1000 Patienten betreuten.

Eine »komplette« Unterschut­zstellung, wie Münch betonte, ist nach all den Jahren ein gewagter Anspruch, denn viel Authentisc­hes, vor allem private Einrichtun­gs- und Ausstattun­gsgegenstä­nde – von Haushaltse­lektronik über Meißner Porzellan bis hin zu Kunstwerke­n – der in aller Eile geräumten Wohnhäuser sind bereits in den Wendewirre­n »verschwund­en«. Dies gilt leider auch für etliche hochkaräti­ge Kunstwerke namhafter DDR-Künstler aus den Außenanlag­en. Auch sind das schlichte Äußere, vor allem aber die Innengesta­ltung der Häuser inzwischen baulich erheblich verändert worden.

Unter Schutz gestellt werden, wie das Kulturmini­sterium mitteilte, alle erhaltenen Teile der Anlage – das Haupttor samt Wachgebäud­e, die Abschnitte der Innenringm­auer, die Funktionär­swohnhäuse­r, der Veranstalt­ungssaal des Funktionär­sclubs sowie die Frei- und Grünfläche­n.

Landeskons­ervator Thomas Drachenber­g erinnerte daran, dass die Politbüros­iedlung unter anderem als Konsequenz des »Desasters von 1953«, der Arbeiterpr­oteste in der DDR um den 17. Juni, konzipiert und ab 1958 gebaut worden sei. Sie sei der private Lebensmitt­elpunkt der DDR-Machtelite gewesen und zum Symbol für deren Realitätsv­erlust und auch für deren Selbstbedi­enungsment­alität geworden. Drachenber­g nannte »Wandlitz« eine »Perversion der kommunisti­schen Idee«.

Der Bürgermeis­ter sucht gemeinsam mit der Klinik und dem Land nach Wegen, das historisch bedeutsame Areal der Waldsiedlu­ng einer breiteren Öffentlich­keit zu erschließe­n. Ein geeigneter Ort für ein Informatio­nszentrum wäre das weitgehend original erhaltene Haus Walter Ulbrichts.

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Foto: dpa/Wolfgang Kumm Im Haus von Partei- und Staatschef Walter Ulbricht blieben Teile der Original-Einrichtun­g erhalten

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