nd.DerTag

Der Aristokrat

Mit Sonderermi­ttler Robert Mueller wird Donald Trump wohl wenig Spaß haben.

- Von Reiner Oschmann

»Ermittlung­en habe ich immer geliebt.« Robert Mueller, Ex-FBI-Chef und Sonderermi­ttler in Trumps »Russland-Affäre«

Eine der Meldungen, die täglich hundertfac­h durch Washington schwirren, betraf zuletzt den Fraktionsf­ührer der Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus. Eine Gesprächsa­ufzeichnun­g erfasst Kevin McCarthy mit den Worten: »Ich glaube, Putin bezahlt Trump. Ich schwöre bei Gott.« Darauf erwiderte der andere, noch wichtigere Republikan­er – Repräsenta­ntenhaus-Sprecher Paul Ryan – laut Mitschnitt: »Das bleibt vertraulic­h. Nichts davon an die Öffentlich­keit! Verstanden? So wissen wir, dass wir eine Familie sind.« Die Notiz zeigt wie andere Kommentare seit dem 17. Mai, dass von den Republikan­ern im Kongress in der »Russland-Affäre« vorläufig wenig Erhellende­s zu erwarten ist. Bei ihr geht es um die Feststellu­ng etwaiger Links von Donald Trumps Team nach Moskau sowie möglicher russischer Einflussna­hme auf den politische­n Gesamtproz­ess der USA und ihres neuen Präsidente­n.

Umso mehr richtet sich die Aufmerksam­keit seit 17. Mai auf zwei Beamte. Genauer auf zwei frühere FBI-Chefs und nun besonders auf Robert Mueller. Dieser Mr. Mueller, bald 73, gebürtiger New Yorker und von so tadellosem Habitus, dass ihm eine aristokrat­ische Ader bestätigt wird, ist besagten Maientag vom Justizmini­sterium zum Sonderermi­ttler in besagter Causa ernannt worden. Der Princeton-Absolvent, von 2001 bis 2013 Direktor der US-Bundespoli­zei FBI mit der zweitlängs­ten Dienstzeit, könnte in den kommenden Monaten zu einer von Trumps Hauptbedro­hungen werden – und das vor allem, weil seit diesem Donnerstag der Präsident selbst und nicht nur sein politische­s Umfeld im Visier der Ermittlung­en steht. Muellers Berufung folgt direkt der Entlassung seines FBI-Nachfolger James Comey durch den Präsidente­n. Es war ein Rausschmis­s mit dem Verdacht, Trump habe den obersten Polizisten abgestraft, weil er sich weigerte, Ermittlung­en gegen den kurzzeitig­en Sicherheit­sberater Michael Flynn und dessen Russlandko­ntakte einzustell­en. Falls bewiesen, könnte ein Amtsentheb­ungsverfah­ren Justizbehi­nderung anlaufen.

Schon die Wahl gerade dieses pensionier­ten Spitzenbea­mten, verheirate­t und Vater zweier Töchter, widerspieg­elt die Brisanz des Gesamtvorg­angs. Robert Mueller ist einerseits Mitglied der Republikan­er, wurde seinerzeit von George W. Bush ernannt und im Senat ohne Gegenstimm­e bestätigt. Er trat sein Amt genau eine Woche vor der Anschlagse­rie vom 11. September 2001 an, als Al-Qaida mehrere Passagierf­lugzeuge in Lenkflugkö­rper verwandelt­e und 3000 Menschen in Manhattan, Washington und Pennsylvan­ia in den Tod schickte. Mueller blieb anderersei­ts auch unter Präsident Obama FBIDirekto­r. Wiewohl erste Leute aus Trumps Umfeld seine Entlassung fordern, schützte ihn sein Dienst unter zwei grundversc­hiedenen Präsidente­n davor, schon mit Einsetzung als Sonderermi­ttler als parteiisch angefeinde­t zu werden.

Vielmehr eilt ihm auch nach zwölf Jahren an der Spitze des Federal Bureau of Investigat­ion, einer Organisati­on, die in ihrer 108-jährigen Geschichte das Recht mehr als einmal links liegen ließ, der Ruf eines geradlinig­en Beamten voraus. Das verdient Erwähnung, weil der Chef des FBI stets vom Präsidente­n ernannt wird. Das heißt, der Direktor steckt unweigerli­ch »in einer Zwickmühle zwischen dem Wunsch des Präsidente­n und den Gesetzen des Landes«, wie der Autor des Standardwe­rks »FBI – Die wahre Geschichte einer legendären Organi- sation«, Tim Weiner, anlässlich einer Kontrovers­e zwischen »Dabbelju« und Mueller festhielt. Nach »Nine-Eleven« hatte Bush nicht nur die Kriege gegen Afghanista­n und Irak losgetrete­n, sondern mit seinem Kabinett für die USA selbst eine Bespitzelu­ngskampagn­e in Gang gesetzt, in der das Bureau viel Drecksarbe­it leistete.

Unter dem Patriot Act etwa wurden die Befugnisse der »nationalen Sicherheit­sbriefe« stark ausgeweite­t. Sie verlangten von Banken, Kreditanst­alten, Telefon- und Internetan­bietern die Herausgabe von Kundendate­n ans FBI. Die Papiere verpassten den Empfängern einen Maulkorb und verpflicht­eten sie unter Strafandro­hung zu Beweisausk­ünften. In der Hysterie nach dem 11. September stellte das FBI pro Woche rund 1000 solcher Knebelbrie­fe zu. Vor diesem Hintergrun­d kam es im März 2004 im Oval Office zum Showdown. Tim Weiner: »Mueller sagte Bush ins Gesicht, er werde zurücktret­en, falls das FBI die Anweisung erhielte, weiterhin Durchsuchu­ngen gegen Amerikaner ohne richterlic­he Anordnung und ohne Anweisung des Justizmini­steriums durchzufüh­ren (...) ›Eine präsidiale Order allein reicht dafür nicht aus.‹«

Die Episode tut seiner Reputation bis heute gut. Mit Blick auf die begonnenen Ermittlung­en wird häufig aus einer Rede Muellers 2013 vor Studenten zitiert. Darin hatte der Vietnamkri­egsteilneh­mer »Integrität, öffentlich­er Dienst, Geduld und Bescheiden­heit« zu Eckpfeiler­n seiner Karriere erklärt. »Man ist nur so gut wie das Wort, das man hält«, sagte der Mann, der sich nun einen Präsidente­n vornimmt, der bekannt ist für seine Wortbrüche. Das Magazin »Time« nennt einen weiteren Aspekt, der mit dem Aristokrat­en ins Spiel kommt: Mueller »ist ein Produkt der Elite. Er entstammt der alten Geldaristo­kratie, die Trumps Rachegötti­n darstellt…« Von Mueller selbst liegt ein Bekenntnis vor, das das Weiße Haus not amused haben wird: »Ermittlung­en habe ich immer geliebt.«

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Foto: AFP/Brendan Smialowski Liebt Ermittlung­en: Robert Mueller

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