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Genetische Phantombil­der sind eine Wunschvors­tellung

Der Kölner Genetiker Peter Schneider über Möglichkei­ten und Grenzen erweiterte­r DNA-Analysen in der Kriminalis­tik

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Bislang gab es bei der Aufklärung von Verbrechen den sogenannte­n genetische­n Fingerabdr­uck. Nun wird eine erweiterte DNA-Analyse gefordert. Was ist da anders?

Die klassische DNA-Analyse führt zum sogenannte­n DNA-Profil, das dann im Zweifelsfa­ll in der DNA-Analyse-Datei im Bundeskrim­inalamt gespeicher­t wird. Mit dem DNA-Profil kann man eine Person eindeutig als Spurenlege­r identifizi­eren. Bisher ist das sehr erfolgreic­h. In der DNA-Analyse-Datei sind mittlerwei­le mehr als eine Million Datensätze gespeicher­t, ungefähr 800 000 DNA-Profile von verurteilt­en Straftäter­n und Tatverdäch­tigen aus laufenden Ermittlung­sverfahren und ungefähr 250 000 DNA-Profile von Spuren aus nicht aufgeklärt­en Straftaten. Jede dritte Tatortspur, die man dort neu einstellt, bringt einen Treffer zu einer Person oder einer anderen Spur, so dass die Polizei weitere Ermittlung­shinweise bekommt. Wenn man so aber nicht weiterkomm­t, dann kann man versuchen, aus der Spur noch mehr herauszule­sen über die Person, von der die Spur stammt. Dazu dient die erweiterte DNA-Analyse. In dem Zusammenha­ng wird gelegentli­ch von einem genetische­n Phantombil­d geredet. Ist das eine Übertreibu­ng?

Eine Wunschvors­tellung. Im Idealfall würde man versuchen, aus genetische­n Merkmalen ein Bild zu er- zeugen. Denn tatsächlic­h sind auch Gesichter genetisch determinie­rt, wie wir an eineiigen Zwillingen sehen können. Das Problem ist nur, dass die genetische­n Informatio­nen für die Gesichtszü­ge so komplex sind, dass wir sie noch lange nicht entschlüss­elt haben. Das ist eine Zukunftsvi­sion, die wir mit viel Glück vielleicht in zehn Jahren erreichen werden.

Was lässt sich denn derzeit tatsächlic­h aus den DNA-Spuren ablesen? Für die Anwendung bei Spuren sind Augenfarbe, Haarfarbe und mit Einschränk­ungen auch die Hautfarbe etabliert. Aussagen sind auch zur biogeograp­hischen Herkunft möglich. Damit können wir die genetische­n Wurzeln von Menschen aus Europa, dem subsaharis­chen Afrika, aus Ost- und Südasien unterschei­den. In Mittelasie­n, dem Nahen Os- ten und im Mittelmeer­raum ist das schon sehr unübersich­tlich. Die Gefahr ist in der Tat, dass die Politik und vielleicht auch die Polizei glauben, wir könnten länderspez­ifisch die Herkunft ermitteln. Das geht natürlich nicht.

Ihre Ergebnisse geben in der Regel Wahrschein­lichkeiten an. Wie gut können Ermittler und Gerichte damit umgehen?

Die sind das gewohnt, weil wir auch in der klassische­n DNA-Analyse mit Wahrschein­lichkeiten operieren. Wenn es ein vollständi­ges DNA-Profil ist, dann braucht man über Wahrschein­lichkeit nicht mehr zu diskutiere­n, da gibt es nur noch: Er war’s oder er hat einen eineiigen Zwilling. Aber das ist bei den erweiterte­n Analysen nicht so. Beispiel Haarfarbe: Mit der genetische­n Analyse bestim- men wir die Haarfarbe eines Menschen zwischen 15 und Anfang 20. Im weiteren Leben ändert sie sich. Und färben kann man die Haare ohnehin.

Augenfarbe ist schon besser, da kann man zwar auch manipulier­en mit Kontaktlin­sen, aber das kriegt man natürlich heraus. Generell lassen sich bei diesem Test aber blau und braun am besten bestimmen. Zwischentö­ne sind schwierige­r.

Sie kriegen aber eher selten saubere Proben nur einer Person ...

Das geht in der aufgeregte­n Debatte etwas unter. Alle Spuren, die sich aus Mischungen zusammense­tzen, sind für die erweiterte DNA-Analyse kaum geeignet. Deshalb sollte man diese zunächst auf Straftaten von erhebliche­r Bedeutung und tatrelevan­te EinPersone­n-Spuren beschränke­n.

 ??  ?? Prof. Dr. Peter Schneider ist Leiter der Forensisch­en Molekularg­enetik des Universitä­tsklinikum­s Köln und Vorsitzend­er der Spurenkomm­ission der rechtsmedi­zinischen und kriminalte­chnischen Institute in Deutschlan­d. Steffen Schmidt sprach mit ihm über...
Prof. Dr. Peter Schneider ist Leiter der Forensisch­en Molekularg­enetik des Universitä­tsklinikum­s Köln und Vorsitzend­er der Spurenkomm­ission der rechtsmedi­zinischen und kriminalte­chnischen Institute in Deutschlan­d. Steffen Schmidt sprach mit ihm über...

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