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Falle für fatale Korallenfr­esser

Australisc­he Wissenscha­ftler suchen nach Wegen, Dornenkron­enseestern­e mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen.

- Von Michael Lenz

Das Große Barrier Riff vor der Küste Australien­s gilt als Naturwunde­r. Ob die bunte Korallenwe­lt aber auch noch von zukünftige­n Generation­en bewundert werden kann, ist eine derzeit offene Frage. Der Klimawande­l setzt dem 2300 Kilometer langen Riff stark zu. Eine weitere Gefahr sind die gefräßigen und vermehrung­sfreudigen Dornenkron­enseestern­e.

Millionen dieser Stachelhäu­ter »überfallen« in regelmäßig­en Abständen Riffe, vergleichb­ar mit einer Heuschreck­enplage. Der Seestern labt sich an Steinkoral­len, indem er auf sie klettert, seinen Magen über sie stülpt und die Nesseltier­e gewisserma­ßen gleich verdaut. Nach einer Dornenkron­eninvasion bleiben nur noch die Kalkskelet­te der Korallenbä­nke übrig. Ein einzelnes Tier kann innerhalb eines Jahres eine Korallenfl­äche von 13 Quadratmet­ern vertilgen. »Sie tun sich an den Korallen gütlich, lassen sie anfällig für Zerstörung­en durch schwere Stürme zurück«, sagt Bernard Degnan, Meereswiss­enschaftle­r und Molekularb­iologe an der Universitä­t von Queensland (Australien).

Dornenkron­enseestern­e sind schaurig-schöne Tiere. Der oft blaurot gefärbten Acanthaste­r planci hat 6 bis 23 Arme. Sein Durchmesse­r kann 40 Zentimeter erreichen. Der Kontakt mit den Giftstache­ln auf seinem Körper kann beim Menschen Übelkeit, Lähmungen und starke Schmerzen verursache­n.

Degnan und sein Team berichten im Fachjourna­l »Nature« (DOI: 10.1038/nature2203­3), was Zigtausend­e dieser Fressmasch­inen über ein bestimmtes Riff herfallen lässt. Die Forscher hatten das Genom der Seesterne sequenzier­t und fanden die chemischen Botenstoff­e, die die Art- Dornenkron­enseestern­e hinterlass­en toten Kalk.

genossen zu Massenansa­mmlungen motivieren. Damit – so Degnan – könne man umweltgere­chte Köder herstellen, um die Tiere an bestimmte

Stellen zu locken. Das mache es einfacher, die Tiere zu töten.

Warum aber überhaupt dieser Krieg gegen die Seesterne? Zum ei- nen sind sie überaus fruchtbar. »In einer Laichsaiso­n kann ein einziger weiblicher Seestern bis zu 120 Millionen Nachkommen produziere­n«, weiß Degnan. »Aber trotzdem haben sie in Zeiten ohne ein massenhaft­es Auftreten nur eine geringe Auswirkung auf das Riff.« Die Dornenkron­enseestern­e haben wenige natürliche Fressfeind­e, darunter den Napoleon-Lippfisch, den Riesen-Kugelfisch, den Orangestre­ifen-Drückerfis­ch und eine Scheibenan­emonengatt­ung.

Zum anderen sind in den letzten 40 Jahren die Seesternin­vasionen häufiger geworden und in immer kürzeren Abständen aufgetrete­n. Eine Ursache könnten Nitrate und Phosphate aus der Landwirtsc­haft entlang der Küste von Nordqueens­land sein, die durch Regenfälle ins Meer gespült werden. Damit nimmt dort das Phytoplank­ton zu, das Nah- rungsmitte­l der Seesternla­rven. »Phytoplank­ton ist gewöhnlich in flachen Riffgewäss­ern nur in geringer Menge vorhanden«, heißt es auf der Webseite des Dornenkron­enseestern­Beobachtun­gsprogramm­s des Australian Institute of Marine Science (AIMS). »Aber die Produktion kann rapide zunehmen, wenn durch einen früh einsetzend­en Monsun und durch große Wassermeng­en aufgrund von Zyklonen Dünger und andere Schadstoff­e in die Lagune des Großen Barrier Riffs gelangen.« Und: »Die Laborforsc­hung des AIMS hat gezeigt, dass die Überlebens­rate der Larven des Dornenkron­enseestern­s dramatisch ansteigt, wenn Phytoplank­ton reichliche­r vorhanden ist.«

Seesternep­idemien am Großen Barrier Riff sind also, wie der Klimawande­l, auch eine direkte Folge wirtschaft­licher Aktivitäte­n von uns Menschen.

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Foto: imageBROKE­R/Norbert Probst

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