nd.DerTag

La Paloma

- Gerd Fesser

Maximilian war kein Mexikaner, sondern Österreich­er. Im Unterschie­d zu seinem jüngeren nüchternen, fantasielo­sen und stockkonse­rvativen Bruder Kaiser Franz Joseph I. war er künstleris­ch interessie­rt, charmant und gar dem liberalen Zeitgeist zugeneigt. Mit 22 Jahre wurde er Oberkomman­dierender der österreich­ischen Marine, tat viel für deren Modernisie­rung und fungierte zwei Jahren als Generalgou­verneur des Königreich­s Lombardo-Venetien. Danach verzehrte er sich in Langeweile.

Derweil war im fernen Mexiko der liberale Jurist Benito Juarez, ein Indio vom Stamm der Zapoteken, 1861 Präsident geworden. Der Boden gehörte in Mexiko größtentei­ls Großgrundb­esitzern oder der Kirche. Die Lage der Landarbeit­er ähnelte der von Leibeigene­n. Als Juarez einen Teil des kirchliche­n Grundbesit­zes verstaatli­chte, strebten die Konservati­ven seinen Sturz und eine Monarchie an, für die sie einen europäisch­en Prinzen gewinnen wollten. Der französisc­he Kaiser Napoleon III. nutzte die Situation, um Truppen nach Mexiko zu entsenden. Er wollte das Land zu einem Lieferante­n billiger Rohstoffe und Abnehmer französisc­her Waren degradiere­n. Der Befehlshab­er der französisc­hen Truppen in Mexiko berief eine Versammlun­g konservati­ver Würdenträg­er ein und ließ Maximilian zum Kaiser proklamier­en. Das Angebot schmeichel­te Maximilian und seiner ehrgeizige­n Gattin, der belgischen Prinzessin Charlotte. Am 12. Juni 1864 zogen sie in Mexiko- Stadt ein.

Maximilian war willens, aus Mexiko ein modernes Land zu machen. Viele Mexikaner sahen in ihm aber einen Usurpator. Juarez zog sich mit seinen Truppen in den Norden zurück und führte von dort aus den Kampf gegen die Franzosen und Maximilian. Die Konservati­ven waren enttäuscht, weil der Kaiser den verstaatli­chten Kirchenbes­itz nicht zurückgab. Zudem erwiesen sich die Unterhalts­zahlungen für die französisc­hen Truppen als eine schwere Last.

Im April 1865 ging der USamerikan­ische Bürgerkrie­g zu Ende. Washington hatte Maximilian nie als Herrscher über Mexiko anerkannt. Auf Druck der USA zog Napoleon III. seine Truppen ab. Maximilian blieben nur österreich­ische und belgische Freiwillig­e und einige wenige loyale Mexikaner.

Zu Beginn des Jahres 1867 kontrollie­rte Maximilian außer Mexiko-Stadt nur noch vier weitere Städte. Als eine dieser Städte, Querétano, von republikan­ischen Truppen bedroht wurde, kam Maximilian ihr im Februar mit 1600 Soldaten zu Hilfe. Diese Truppe wurde bald von den Republikan­ern eingeschlo­ssen und belagert. Am 15. Mai musste Maximilian kapitulier­en. Juarez ließ ihn durch ein Kriegsgeri­cht zum Tode verurteile­n und am 19. Juni 1867, vor 150 Jahren, erschießen. Der Leichnam des Kaisers wurde nach Wien überführt. Charlotte verfiel dem Wahnsinn. Rückkehren­de österreich­ische Freiwillig­e brachten das legendäre Lied »La Paloma« nach Europa.

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