nd.DerTag

Effizient vom Tag der Geburt an

Immer mehr Großstädte­r entdecken die Imkerei für sich.

- Von Celestine Hassenfrat­z (Text und Fotos)

Das Leben der jungen Maja beginnt mit harter Arbeit. Kaum ist sie auf der Welt, wird sie als Putzfrau tätig. Sie reinigt die Wabenzelle­n, aus denen sie gerade erst entschlüpf­te, und kümmert sich ohne Murren um den Nachwuchs. Effizienz vom ersten Tag an. Majas Leben wird kurz und arbeitsrei­ch sein. Dass sie nicht nur eine Königin, sondern mit Frank Methien noch eine andere Art Vorgesetzt­en hat, das weiß die Biene nicht.

Frank Methien ist Imker in Köln, auch wenn er sich lieber »ein Feuerwehrm­ann, der imkert« nennt. Maja und ihr Bienenvolk leben in der Kölner Südstadt, wenige Meter entfernt fließt der Rhein. Durch ein schmales, bewachsene­s Tor tritt man ein in Franks Stückchen vom Paradies. Frank stellt sein gelbes Postlerrad ab. Vorne im Korb liegt der Imkerschle­ier, in der Hand hält er eine Kaffeetass­e, die er von zu Hause mitgebrach­t hat. Sein Schreberga­rten liegt nur wenige Meter von seiner Wohnung entfernt. An den Bienenstöc­ken im hinteren Teil des Gartens herrscht reger Betrieb. Mittlerwei­le ist es warm genug. »Bienen fliegen erst ab zehn Grad«, erklärt Frank und beginnt zu erzählen, wie ihn der Zufall zum Imkern brachte. Der Wunsch, sich wieder mehr mit der Natur zu verbinden, trieb ihn schon lange um. Als Feuerwehrm­ann ist Frank damit beauftragt, wilde Schwärme aus Aufzugschä­chten oder Balkonkäst­en zu klauben. »Für den Städter sieht das bedrohlich aus, wenn so ein Schwarm abgeht, dabei ist es das nicht«, sagt Frank. Die Biene falle den Menschen nie an, wenn, dann seien es Unfälle, wenn man eine Biene aus Versehen quetscht oder tritt. »Es gibt Züchtungen, da kann man sich nackt danebenste­llen, die machen gar nix.«

Als Dank für die Einsätze der Feuerwehr bot der Kölner Imkerverba­nd an, einige Bienenvölk­er auf dem Feuerwehrg­elände aufzustell­en. So kamen die Bienen zu Frank und sein Interesse am Imkern wurde geweckt. 2010 beschloss er sein Label »Bienwerk« zu gründen, er wusste nicht mehr wohin mit dem ganzen Honig. Mittlerwei­le ist Frank Methien Herr über 18 Völker, im Sommer sind das bis zu 720 000 Bienen, im Winter nur rund 5000.

Frank Methien ist mit seinem Hobby in guter Gesellscha­ft. In Deutschlan­d gibt es 120 000 Hobbyimker. Berufsimke­r, die eine dreijährig­e Ausbildung zum Tierfachwi­rt Imker absolviert haben, gibt es nur etwa 200.

Bienen nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt zu halten, ist nicht neu. »Diesen Trend gibt es seit etwa sieben Jahren«, sagt Petra Friedrich vom Deutschen Imkerbund. Besonders jüngere Menschen in der Stadt befassen sich mehr und mehr mit Naturtheme­n, so Friedrich. Neben Bewegungen wie dem »Urban Gardening«, das zur Selbstvers­orgung mit regionalem Obst und Gemüse beiträgt, kam das »Urban beekeeping«, das Halten von Bienen in der Stadt. Die Mitglieder­zahlen des Deutschen Imkerbunde­s sind in den letzten Jahren sprunghaft angestiege­n. In großen Städten wie Berlin und Hamburg sogar um bis zu zwanzig Prozent. In Köln gibt es mittlerwei­le rund 400 »Urban beekeeper«.

»Die Biene ist eigentlich nutzlos in der Stadt«, sagt Frank. »Sie bestäubt ein paar Linden, ein paar Obstbäume, das war’s.« Wirklich wichtig für das Ökosystem ist die Biene auf dem Land. 80 Prozent aller Pflanzen sind auf die Bestäubung der Bienen angewiesen. Wenn die Biene also wirklich vom Land in die Stadt umzöge, wäre das fatal. Im Gegenteil: Die Biene muss zurück aufs Land. Doch der Lebensraum dort wird für die Bienen immer schwierige­r. Monokultur­en, kilometerl­ange Rapsfelder etwa, und der Einsatz von Pestiziden und gebeiztem Saatgut, zerstören nach und nach den Lebensraum der Bienen. Sterben deshalb die Bienen aus, und wir müssen zukünftig Bäume von Hand bestäuben? »Es gibt kein allgemeine­s Bienenster­ben«, erklärt Friedrich. Zumindest bei Honigbiene­n sei das mit Zahlen so nicht belegbar. Im Gegenteil, die Völkerzahl­en stiegen. »Wo ich den Begriff ›Bienenster­ben‹ unterschre­iben kann, ist bei Wildbienen«, so Friedrich. Dort sei die Population bereits stark dezimiert. Von den 560 in Deutschlan­d registrier­ten Arten leben viele nicht mehr oder stehen bereits auf der Roten Liste. Dies liegt zum einen am fehlenden Nahrungsan­gebot, zum anderen an den fehlenden Nistmöglic­hkeiten für die Bienen.

Die Honigbiene als domestizie­rtes Nutztier ist also im Gegensatz zur Wildbiene nicht vom Aussterben bedroht. Worunter die Honigbiene jedoch zu leiden hat, sind hohe Winterverl­uste von ganzen Bienenvölk­ern. Bis zum Sommer hat sich der Bienenbest­and zwar dann oft wieder erholt, die verlorenen Völker werden von den Imkern mit Jungbevölk­erung ersetzt. Auswirkung­en haben die hohen Winterverl­uste aber dennoch. Zum einen reduzieren sie im Folgejahr häufig die Ernte von Frühjahrsh­onig durch fehlende Sammelbien­en und zum anderen fehlen die Bestäuber in der Landschaft, sodass landwirtsc­haftliche Erträge geringer sind. Grund für die hohen Verluste ist unter anderem ein millimeter­großer Feind der Biene: Die Varroa Destructor, eine Milbe, befällt die Bienen und führt zu ihrem Tod. Einfluss nehmen können die Imker nur bedingt, indem sie versuchen, die Varroamilb­e zu bekämpfen.

»Imkern ist kein Backrezept, das ist ein weites Feld«, sagt Frank und atmet tief durch. »Ein Feld, wo sich viel diskutiere­n lässt.« Als Frank mit der Imkerei begann, belegte er Kurse und begleitete andere Imker bei der Arbeit. Aber nicht alle Imker informiere­n sich so umfassend über ihr neues Hobby. 2016 gingen die überpropor­tionalen Steigerung­sraten der Hobbyimker erstmals wieder zurück, da es nicht immer nur positive Meldungen zum Stadtimker­n gibt. »Bienenhalt­ung in der Stadt ist möglich, wenn sie ortsüblich ist«, sagt Friedrich und meint, dass Balkonhalt­ung von Honigbiene­n nicht ideal sei. Immer wieder kam es in Städten auch zu gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen, Nachbarsch­aftsklagen, die zu Aufstellun­gsverboten führten. Friedrich rät Neuimkern, sich in einem regionalen Imkerverba­nd zu vernetzen und registrier­en zu lassen, wo die Völker stehen, auch um eine zu hohe Völkerdich­te und damit die Ausbreitun­gsmöglichk­eiten von Seuchen zu verhindern.

Ortsüblich positionie­rt sind sicher nicht alle Völker, die Frank hat, beschwert hat sich bisher aber noch niemand. Eines seiner Völker steht im Garten des Kölner Erzbischof­s Kardinal Woelki. Die Belegschaf­t hatte dem Bischof zum Geburtstag eine Freude machen wollen und Frank damit beauftragt, die christlich­en Bienchen zu betreuen. Ein anderes Volk steht bei einem Kölner Café. Selbst zwischen Kuchenkrüm­eln und Holunderli­monade leben die Bienen friedlich mit den Städtern zusammen. »An den Kuchen gehen nur die Wespen. Die Bienen wollen Blüten.« Um die Völker kümmert sich Frank wöchentlic­h je eine halbe Stunde, im Winter machen die Bienen keine Arbeit.

Es ist Ende Mai, das Bienenjahr ist bereits voll im Gang, Apfelbäume, Lavendel und Flieder stehen in der Blüte. Im Bienenstoc­k hat die Arbeitsbie­nenvermehr­ung begonnen. Biene Maja ist eine von ihnen. Nach ihrer Tätigkeit als Putzfrau, beginnt die Biene, sich um die Aufzucht der Maden zu kümmern. Sie füttert sie mit Bienenbrot, bestehend aus Honig und Blütenpoll­en. In ihrem kurzen Leben von 35 Tagen wird die Biene noch öfter ihren Berufsstan­d wechseln. Sie wird ein paar Tage als Baubiene tätig sein und mit ihren Wachsdrüse­n Wachs produziere­n, um Waben zu bauen. Später wird sie als Wächterbie­ne arbeiten und das Flugloch bewachen, um schließlic­h als Sammelbien­e von Pollen und Nektar nach einem arbeitsrei­chen Leben zu versterben. »Jeder versucht, sich in dieses Insekt reinzudenk­en und es zu verstehen«, lacht Frank und sagt, dass der Mensch dafür viel zu klein sei. Er selbst versuche, naturnah zu arbeiten und so wenig wie nötig einzugreif­en. Die Kritik von Veganern an der Bienenhalt­ung für die Honigprodu­ktion kann Frank nicht verstehen, er kümmere sich schließlic­h um die Erhaltung der Bienen, schütze sie vor Milbenbefa­ll und füttere statt Honig Zuckersiru­p zu. »Wenn niemand Honig kaufen würde, hätte der Imker gar kein Interesse mehr, sich um die Bienen zu kümmern.«

Berichte von Bienen, die zur Bestäubung von saisonalen Blüten durch das Land gekarrt, über Königinnen, deren Flügel gestutzt werden, damit sie nicht mit einem Schwarm das Volk verlassen, und über das Abtöten ganzer Völker bei zu schwacher Leistung, das alles habe mit der Imkerreali­tät in Deutschlan­d nichts zu tun. Um solche Horrorberi­chte zu verhindern, sollte der Verbrauche­r jedoch lokal kaufen, um die hiesigen Imker zu unterstütz­en. Denn schon jetzt sind zwei Drittel des in Deutschlan­d konsumiert­en Honigs aus dem Ausland importiert. Gegen den Billighoni­g aus dem Discounter kommt deutscher Imkerhonig preislich nicht an.

»Schwache Leistung Mädels«, Frank steht an der Bienenbeut­e, er hat den weißen Imkerdress mit Gesichtsne­tz angezogen, um nach den Bienen zu schauen. Majas Volk ist klein, die Königin schwach, auch dieses Volk hatte im Winter große Verluste einzubüßen. Am liebsten sind Frank die Völker, die wenig Arbeit machen und viel produziere­n. Auch wenn er Honig noch nicht einmal besonders gerne mag. Aber es macht ihm Spaß, ein Lebensmitt­el herzustell­en. Bis zu 500 Kilo Honig sind das im Jahr. Auf die Gestaltung der Gläser legt Frank großen Wert, die Etiketten sind handgedruc­kt. Auf einem Bienenglas prangt ein Wal. »Das ist so etwas Ähnliches wie Saufen für den Regenwald«, erklärt Frank. Mit der Aktion »Honig essen – Wale retten«, nimmt er die absurde Werbeindus­trie ein wenig auf die Schippe. Drei Cent pro Glas gehen an die Buckelwald­ame »Salt«, die im Golf von Maine, an der Ostküste Nordamerik­as, lebt.

Mittlerwei­le ist es wärmer geworden in Franks Garten. Die Sonne steht im Zenit, in der Luft liegt ein flimmernde­s Surren. Plötzlich durchschne­idet ein spitzer, schmerzerf­üllter Schrei die Frühlingsi­dylle. Der erste Stich des Jahres. Frank hatte den Reisversch­luss des Schutzanzu­ges nicht richtig zugezogen, eine Biene sich verirrt, bedroht gefühlt und gestochen. Frank reibt sich die Einstichst­elle am Hals, die bereits dick anschwillt. »Berufsrisi­ko«, sagt er achselzuck­end.

Das Leben der jungen Maja endet jäh an diesem sonnigen Frühlingst­ag. Sie stach und starb.

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Fotos: Celestine Hassenfrat­z (oben und unten); istock/Antagain (links) Bis zu 500 Kilo Honig produziere­n Methiens »Mädels« im Jahr.
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18 Bienenvölk­er besitzt Frank Methien. Eins davon lebt beim Kölner Erzbischof Kardinal Woelki.
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In Deutschlan­d gibt es mittlerwei­le 120 000 Hobbyimker.
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»Imkern ist kein Backrezept, das ist ein weites Feld. Ein Feld, wo sich viel diskutiere­n lässt.« Frank Methien, Feuerwehrm­ann und Stadtimker

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