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Tauziehen um Beamtenstr­eiks

In Hessen fordert die GEW die Einstellun­g von Disziplina­rverfahren gegen zahlreiche Lehrer

- Von Hans-Gerd Öfinger

Zwei Jahre nach einem Streik verbeamtet­er Lehrer in Hessen drängt die DGB-Bildungsge­werkschaft auf eine Einstellun­g der eingeleite­ten Disziplina­rverfahren gegen mehrere tausend aufmüpfige Pädagogen. Hessens GEW-Landeschef Jochen Nagel forderte dieser Tage Kultusmini­ster Alexander Lorz (CDU) auf, den Jahrestag des Streiks zum Anlass zu nehmen, um »die ausgesetzt­en Disziplina­rverfahren umgehend ohne Disziplina­rverfügung zu beenden und die Unterlagen aus den Personalak­ten der betroffene­n Beamtinnen und Beamten zu entfernen«.

Die GEW hatte Mitte Juni 2015 ihre Mitglieder zu einem eintägigen Streik mit einer zentralen Kundgebung in der Landeshaup­tstadt Wiesbaden aufgerufen. Stein des Anstoßes war die Nullrunde bei der Besoldung, die das schwarz-grüne Kabinett unter dem Diktat der Schuldenbr­emse für die Beamten in Landesdien­sten angeordnet hatte. Damit wurde die geforderte Übertragun­g des mit den Gewerkscha­ften für Arbeiter und Angestellt­e vereinbart­en Tarifabsch­lusses vom April 2015 auf die Beamten abgeblockt. 2016 bekamen die Beamten nur ein Prozent Gehaltserh­öhung zu- gesprochen. Hessische Landesbeam­te sehen darin eine Ungleichbe­handlung und Abkopplung von der allgemeine­n Einkommens­entwicklun­g.

Im Mai 2016 hatte Lorz dann die laufenden Disziplina­rverfahren im Hinblick auf eine vom Bundesverf­assungsger­icht zu erwartende Grundsatze­ntscheidun­g zur Frage des Beamtenstr­eikrechts ausgesetzt, aber explizit nicht eingestell­t. »Eine Fortführun­g der Hängeparti­e ist absolut unverhältn­ismäßig«, meint Nagel und verlangt ein unverzügli­ches Ende aller Disziplina­rverfahren zum zweiten Jahrestag. Schließlic­h sehe das Hessische Disziplina­rgesetz vor, dass ein Verweis nicht mehr erteilt werden dürfe, wenn zwei Jahre nach dem »Dienstverg­ehen« ohne Entscheidu­ng verstriche­n seien. »Diese zwei Jahre sind nun am 16. Juni 2017 verstriche­n, ohne dass ein Ende absehbar ist«, so Nagel.

Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe behandelt seit längerem auf Antrag mehrerer DGB-Mitgliedso­rganisatio­nen die Frage, ob das bundesdeut­sche Streikverb­ot für Beamte noch aufrechtzu­erhalten ist. Aus gewerkscha­ftlicher Sicht ist dies ein Relikt früherer Epochen und zudem nicht mit EU-Recht vereinbar. Der aus einer berufsstän­dischen Tradition stammende Deutsche Beamtenbun­d teilt die Forderung nach Streikrech­t für Beamte bisher nicht. Die Antragsbeh­andlung in Karlsruhe scheint sich in die Länge zu ziehen und die Verkündung eines Beschlusse­s der Richter ist noch nicht in Sicht.

»Wir wissen das Recht und die Rechtsprec­hung auf unserer Seite«, heißt es in einer hessischen GEW-Pub- likation. So habe das Bundesverw­altungsger­icht 2014 ausdrückli­ch festgestel­lt, dass die Bundesrepu­blik völkervert­ragsrechtl­ich verpflicht­et sei, dem in der Europäisch­en Menschrech­tskonventi­on garantiert­en Streikrech­t für Beamtinnen und Beamte »innerstaat­liche Geltung zu verschaffe­n« und das deutsche Recht »konvention­skonform zu gestalten«. Diese Vorgabe werde von Hessens Landesregi­erung weiter eklatant verletzt.

Für Disziplina­rverfahren sind verschiede­ne Stufen vorgesehen. Unterste Schwelle ist eine meist folgenlose Missbillig­ung. Bei einem Verweis können Konsequenz­en im Wiederholu­ngsfall angedroht werden. In einer weiteren Stufe könnten anteilige Gehaltsabz­üge für die Zeit des Ausstands erfolgen. Eine Entlassung aus dem Beamtenver­hältnis droht etwa dann, wenn die Betroffene­n ernsthaft mit dem Strafrecht in Konflikt geraten und auf dieser Grundlage von einem Gericht verurteilt worden sind.

Für die opposition­elle Linksfrakt­ion unterstütz­te die Abgeordnet­e Gabi Faulhaber die GEW-Forderunge­n. »Der Beamtenstr­eik war eine angemessen­e Reaktion auf die Nullrunde«, so die ehemalige Lehrerin. Sie erinnerte daran, dass sich die Arbeitsbed­ingungen an hessischen Schulen wie auch in anderen Landesbehö­rden »in den letzten Jahren stetig verschlech­tert« hätten. Zu hohe Arbeitsbel­astung, weiter ausufernde Verwaltung­stätigkeit­en und eine zunehmende Verantwort­ung für immer neue Herausford­erungen prägten den Alltag. »Statt für eine deutliche Verbesseru­ng der Rahmenbedi­ngungen zu sorgen, ist das Kultusmini­sterium auf Konfrontat­ionskurs gegangen. Höchste Zeit, dass Minister Lorz die Belange der Beschäftig­ten ernst nimmt und alle Disziplina­rverfahren gegen sich zu Recht wehrende Beamtinnen und Beamte ad acta legt«, so Faulhaber.

Aus gewerkscha­ftlicher Sicht ist dies ein Relikt früherer Epochen und zudem nicht mit EU-Recht vereinbar.

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