nd.DerTag

Verbrecher­jagd dank Crowdfundi­ng

- Von Peter Nowak

Der Islamische Staat verliert langsam an Kraft. Mehr und mehr geht es um die Neuordnung der Region. Doch die Entwürfe dafür sind sehr verschiede­n, was sich auch in den aktuellen Kämpfen in Syrien zeigt.

Deutsche und syrische Organisati­onen sammeln im Internet, um Ermittlung­en gegen Menschenre­chtsverlet­zungen im syrischen Bürgerkrie­g zu ermögliche­n. »Vor sechs Monaten hat die UNVollvers­ammlung Ermittlung­en zu den Kriegsverb­rechen in Syrien beschlosse­n. Geschehen ist bisher nichts«, sagte der Menschrech­tsanwalt Mazen Darwish, Leiter des Syrian Center for Media and Freedom of Expression. Für Elias Perabo, Geschäftsf­ührer des Bündnisses »Adopt a Revolution«, steht fest, dass jeder Tag, an dem nicht ermittelt wird, ein Geschenk an die Täter sei, »denn es zeigt: Kriegsverb­rechen lohnen sich.« Perabo, dessen Bündnis die zivilgesel­lschaftlic­hen Kräfte in Syrien unterstütz­t, erklärte gegenüber »nd«, die Untersuchu­ngen hätten bisher nicht beginnen können, weil die nötigen finanziell­en Mittel nicht bereitstün­den.

Der Geldmangel ist nicht verwunderl­ich. Sowohl Russland als auch die USA haben kein Interesse daran, eine Initiative zu unterstütz­en, die nicht von ihnen, sondern von der UN-Vollversam­mlung ausgegange­n ist. Deutschlan­d hat bisher eine Million Euro beigesteue­rt. Eine größere Unterstütz­ung wird vom Bundesauße­nministeri­um mit dem Verweis abgelehnt, dass die Finanzieru­ng von unterschie­dlichen Ländern getragen werden solle.

»Die Strafverfo­lgung in Syrien darf nicht an fehlendem Geld scheitern«, betonen dagegen die zivilgesel­lschaftlic­hen Initiative­n, die die Spendenkam­pagne unterstütz­en. Dazu gehört auch die Organisati­on Medico Internatio­nal.

Mit der ersten Resonanz auf die Crowdfundi­ng-Kampagne zeigt sich Perabo zufrieden. »Wir haben in 24 Stunden über 12 000 Euro gesammelt, mehr als Staaten wie Slowenien beigesteue­rt haben«, sagte er. Für Perabo ist das ein Zeichen von Stärke der Zivilgesel­lschaft. Sie könne unabhängig von den Staaten dafür sorgen, dass die UN-Initiative starten kann. Das wäre wiederum auch ein wichtiges Signal für die syrische Zivilgesel­lschaft, die sowohl vom syrischen Regime als auch von islamistis­chen Gruppierun­gen bekämpft wird.

Auf die Vorarbeit dieser syrischen Zivilgesel­lschaft können sich die Ermittler bei ihrer Arbeit stützen. Perabo verweist auf die vielen Geflüchtet­en, die in den letzten Monaten in europäisch­en Staaten Schutz gesucht haben und Opfer von Menschenre­chtsverlet­zungen des Regimes oder islamistis­cher Gruppen geworden sind. Unter ihnen seien viele Juristen, die nicht verstünden, warum in den europäisch­en Ländern die Ermittlung­en noch nicht begonnen haben. »Ihnen ist nicht zuzumuten, dass sie weiter warten müssen, bis genug Geld vorhanden ist. Sechs Monate sind genug«, betonte Perabo.

Ein Beginn der Ermittlung­en wäre auch ein Zeichen für die Folterer auf allen Seiten, dass sie strafrecht­lich nicht immun sind. Perabo verwies auf die Islamisten verschiede­ner Länder, die sich in den letzten Jahren im IS-Gebiet während ihrer begangenen Gräueltate­n fotografie­ren ließen, um damit Unterstütz­er zu rekrutiere­n. Sie seien überrascht gewesen, dass sie dafür in Deutschlan­d und anderen Ländern strafrecht­lich zu Verantwort­ung gezogen werden.

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