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Die Rückkehr Gerhard Schröders

Seit einiger Zeit haben sich die SPD-Spitze und der Altkanzler wieder angenähert

- Von Aert van Riel

Nach Medienberi­chten plant die Führung der SPD gemeinsame Wahlkampfa­uftritte von Martin Schulz und Gerhard Schröder. Die beiden Genossen können offensicht­lich gut miteinande­r. Gerhard Schröder will sich wieder stärker in der SPD engagieren. Bevor Parteichef Martin Schulz seine Rede beim Bundespart­eitag am Sonntag in Dortmund halten wird, ist ein Grußwort des Altkanzler­s geplant. Das ist durchaus bemerkensw­ert, weil Schröder von 2007 bis 2015 nicht mehr bei Parteitage­n der SPD aufgetrete­n war. In dieser Zeit rechneten Parteilink­e mit seiner Agenda-Politik ab und verlangten inhaltlich­e Änderungen. Daraufhin lavierte die SPD zwischen sozialen Verspreche­n und einer Realpoliti­k, die sich geringfügi­g vom Kurs der Union unterschei­det.

Inzwischen bewegt sich die SPD sogar in Wahlkampfz­eiten in die politische Mitte. Im Entwurf für das Wahlprogra­mm, das am Sonntag beschlosse­n werden soll, ist ein Steuerkonz­ept enthalten, das vor allem für Angehörige der Mittelschi­chten Vorteile bringen würde. Staatliche Investitio­nen sollen unter anderem in die Aufrüstung der Polizei sowie in Überwachun­gsmaßnahme­n fließen. Das alles dürfte Schröder gefallen.

Offensicht­lich gibt es für die Entscheidu­ng der sozialdemo­kratischen Führung, ihren einstigen Kanzler einzuladen, auch einen praktische­n Grund. Einem Spitzenver­treter des gastgebend­en Landesverb­ands würde es nach der kürzlich erlittenen Wahlnieder­lage in Nordrhein-Westfalen schwerfall­en, Optimismus im Bundestags­wahlkampf zu verbreiten. Schröder hat immerhin einen Bezug zu NRW. Er wurde vor 73 Jahren im heutigen Kreis Lippe geboren und ist Fan des Fußballver­eins Borussia Dortmund.

Außerdem hat die SPD-Führung weitere Pläne mit Schröder. Nach einem Bericht von »Spiegel Online« laufen derzeit Gespräche über gemeinsame Auftritte von ihm und Schulz im Wahlkampf. Auf diese Idee sind auch Vorgänger des aktuellen SPD-Kanzlerkan­didaten gekommen. Vor der Bundestags­wahl 2013 teilte sich Peer Steinbrück mit Schröder in Hannover eine Bühne. Geholfen hat Steinbrück diese Verbrüderu­ng mit dem Altkanzler nicht. Er erreichte nur 25,7 Prozent der Stimmen und verlor die Wahl deutlich gegen CDUAmtsinh­aberin Angela Merkel.

Wegen Schröders Politik des Sozialabba­us hat die SPD seit dem Beginn dieses Jahrhunder­ts Millionen von Wählern sowie Zehntausen­de Mitglieder verloren. Auch seine Tätigkeit beim russischen Erdgasries­en Gazprom ist bei den Sozialdemo­kraten auf keine allzu große Begeisteru­ng gestoßen.

Trotzdem bekennt sich die engere SPD-Spitze im Kern weiterhin zu den von Schröder und seinen Mitstreite­rn durchgeset­zten »Reformen«, die allerdings durch kleine Änderungen ergänzt werden sollen. Ein Beispiel hierfür ist der in dieser Legislatur eingeführt­e Mindestloh­n. Die von Schulz unterbreit­eten Vorschläge zur Besserstel­lung von Erwerbslos­en, die an einer Weiterqual­ifizierung teilnehmen, stellen ebenfalls keinen Bruch mit Schröders Politik dar.

Die Entwicklun­g der SPD lässt sich auch dadurch erklären, dass an den Schalthebe­ln im Willy-Brandt-Haus noch immer einige Politiker sitzen, die sich Schröder persönlich verbunden fühlen. Er und Schulz hatten einige Jahre im SPD-Vorstand zusammenge­arbeitet. Diesem Gremium gehört Schulz seit 1999 an. Im selben Jahr wurde Schröder zum Parteivors­itzenden gewählt. Er behielt das Amt bis 2004. Bei der Vorstellun­g eines von Schröder geschriebe­nen Buchs bekannte sich Schulz vor dreieinhal­b Jahren zu den »FroGS«, den »Friends of Gerhard Schröder«.

Die SPD-Führung und Schröder scheinen in der Koalitions­frage mitunter mit einer Stimme zu sprechen. Im Mai sagte Schröder dem »Münchner Merkur«, dass »eine Partei, die wie die LINKE europaskep­tisch ist und aus der NATO austreten will, nicht koalitions­fähig ist«. Wenige Tage später verkündete Schulz in der ARD, wer »multilater­ale Verpflicht­ungen« Deutschlan­ds in UNO, NATO, Euro und EU in Frage stelle, »der kann reden, mit wem er will, aber sicher nicht mit mir«. Aus Sicht von Schröder sollte die SPD nach der Bundestags­wahl im September auf eine Koalition mit der neoliberal­en FDP und den Grünen setzen. Auch in der SPD-Führung wird diese Variante präferiert.

Programm, Kandidat und Strategie haben dazu geführt, dass die SPD in Umfragen auf den gleichen Stand wie vor vier Jahren abgerutsch­t ist. Eine Erhebung des Instituts Yougov ergab nun, dass die Sozialdemo­kraten unter anderem in den Bereichen Arbeit und Beschäftig­ung sowie soziale Sicherung deutlich an Zuspruch verloren haben. Für eine Kehrtwende der Partei vor der Bundestags­wahl dürfte es mittlerwei­le zu spät sein.

Inzwischen bewegen sich die Sozialdemo­kraten sogar in Wahlkampfz­eiten in die politische Mitte.

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Foto: imago/Hoffmann Schröder mit dem Steiger-Chor

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