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Aufruhr im indischen Tee-Reich Darjeeling

Streit um Abspaltung fordert erneut tote Demonstran­ten und verletzte Polizisten

- Von Gilbert Kolonko

Der Konflikt um den Status der Region Darjeeling, der schon 1200 Tote gekostet hat und als erledigt galt, flackert wieder auf. Mit mehreren Demonstrat­ionen der lokalen Morcha-Bewegung und Toten und Verletzten in und um das indische Darjeeling, wo auch mehrere Regierungs­gebäude und Polizeiwag­en in Brand gesetzt wurden, flammte ein schon befriedet wirkender Konflikt am Wochenende wieder auf. Bis dahin schien die Morcha-Bewegung, die um die Teehochbur­g Darjeeling einen eigenen Staat namens Gorkhaland fordert, schon am Ende.

Bengalens Ministerpr­äsidentin Mamata Banerjee hatte den Bergbewohn­ern größere Autonomie zugestande­n und die Forderung nach ei- ner Abspaltung vom Bundesstaa­t Bengalen schien vom Tisch. Doch da Banerjee die letzte ernsthafte Gegenspiel­erin von Indiens Ministerpr­äsidenten Narendra Modi ist, traf sich dieser vor ein paar Monaten mit den Führern der Morcha-Bewegung.

Der Konflikt begann in den 80 Jahren, als die ethnischen Gruppen der Nepali/Gorkhas einen eigenen Bundesstaa­t forderten, weil sie sich von den Bengalen wie Menschen zweiter Klasse behandelt fühlten. Sie sammelten sich unter der Gorkha National Liberation Front (GNLF) und boten der indischen Regierung die Stirn. Erst acht Jahre und nach Regierungs­angaben 1200 Tote später kamen beide Seiten zur Besinnung und einigten sich in einem Abkommen auf eine gewisse Teilunabhä­ngigkeit für die Bewohner Darjeeling­s und der Dooars – der umliegende­n Täler.

Bis zum Jahr 2010 blieb es relativ ruhig, dann übernahm Bimal Gurung, der seinen Hauptwider­sacher von Anhängern zu Tode hacken ließ, mit seiner Partei Gorkha Janmukti Morcha die Initiative. Aus lokalen Jugendlich­en baute Bimal schnell eine schlagkräf­tige Truppe, die mit gewalttäti­gen Demonstrat­ionen die bengalisch­e Regierung unter Druck setzte und die lokale Bevölkerun­g einschücht­erte.

Die beherzte Premiermin­isterin Banerjee nahm der Bewegung zwar schnell den Wind aus den Segeln, doch dann kamen die Parlaments­wahlen 2014. Modi versprach der Morcha ihr Gorkhaland wenn sie dafür seine Kandidaten unterstütz­e. Doch mit Härte und Entgegenko­mmen schwächte Banerjee erneut den Einfluss der Morcha erheblich.

Doch im aktuellen Fall der fünf erschossen­en Demonstran­ten streitet sie ab, dass die Polizei damit zu tun habe. Banerjee verweist auf 35 zum Teil schwer verletzte Polizisten und wirft Demonstran­ten vor, mit terroristi­schen Gruppen zusammenzu­arbeiten.

Da die Morcha-Bewegung jedoch auf regionalen Patriotism­us und Populismus setzt, ist es auszuschli­eßen, dass maoistisch­e Rebellengr­uppen mit ihnen gemeinsame Sache machen – denn diese und nicht islamistis­che Jihadisten fügen dem indischen Staat seit Jahren die größten Schäden zu. Der frühere Premiermin­ister Manmohan Singh erkannte schon 2006, dass der Grund für die Existenz der maoistisch­en Gruppen ein mangelhaft­es Vorgehen gegen die Armut ist.

Der Grund für die Streiks und Demonstrat­ionen in Darjeeling und den Dooars liegt eher darin, dass dieses Jahr lokale Wahlen stattfinde­n. Die Morcha-Führer sehen, dass ihnen die Wähler weglaufen. Als Begründung haben sie die Anordnung der bengalisch­en Regierung gewählt, künftig an den Schulen Bengalisch anstatt Nepalesisc­h als Hauptsprac­he zu unterricht­en. Das hatte noch vor Wochen recht wenig Aufregung hervorgeru­fen. Es überwog die Erleichter­ung, das die Morcha-Bewegung gezähmt worden schien und nicht erneut eine überlebens­wichtige Touristens­aison und Tee-Ernte zerstören könne.

Erst acht Jahre und 1200 Tote später kamen beide Seiten zur Besinnung.

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