nd.DerTag

Willkommen im Politikall­tag

- Guido Speckmann über unerwartet­e Rücktritte in Paris

Präsident Emmanuel Macron holt der trübe französisc­he Politikall­tag schneller ein als gedacht. Sein kometenhaf­ter Aufstieg bis an die Spitze des Staates war auch der Tatsache zu verdanken, dass sich sein konservati­ver Konkurrent François Fillon durch eine Scheinbesc­häftigungs­affäre selbst um den Sieg brachte. Der Triumph der Bewegung Macrons bei den Parlaments­wahlen wäre nicht denkbar gewesen, wenn die Franzosen nicht die Nase voll hätten von Vetternwir­tschaft und etablierte­r Politik. Die traditione­lle Kabinettsu­mbildung danach – eigentlich eine Formsache – entpuppte sich nun überrasche­nd als erster großer Misserfolg für das 39-jährige Staatsober­haupt. Vier der Minister traten zurück (zwei bekommen aber wohl Spitzenpos­ten in der Nationalve­rsammlung). Darunter der enge Vertraute Ferrand und Justizmini­ster Bayrou. Der Hintergrun­d: Immobilien- und Scheinbesc­häftigungs­affären. Eine besondere Ironie dabei ist, dass Bayrou eben diese durch ein Moralisier­ungsgesetz bekämpfen möchte – eines der zentralen Vorhaben der neuen Regierung.

Doch es zeigt sich, dass diese zwar mit hehren moralische­n Ansprüchen antritt, aber noch aus dem alten unmoralisc­hen Holz geschnitzt ist. Macron muss nach wenigen Wochen erkennen: Fehltritte seiner Minister in der Vergangenh­eit lassen sich nicht per Gesetz wegdekreti­eren. Das Wunderkind, dem schon nachgesagt wurde, es könne über Wasser laufen, hat einen klassische­n Fehlstart hingelegt.

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