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Keine Gleichstel­lung in Sicht

Bundesregi­erung zieht in ihrem Bericht eine ernüchtern­de Bilanz

- Von Werner Herpell

Gleiche Chancen und Lebensbedi­ngungen für Männer und Frauen – so will es das Grundgeset­z. Auch wenn manches in dieser Legislatur­periode besser geworden ist, bleibt noch viel zu tun. Berlin. Nach vier Jahren SchwarzRot fällt die Bilanz bei der Gleichstel­lung von Frauen mit Männern aus der Sicht von Experten und Regierung ziemlich ernüchtern­d aus. »Bei der Verteilung von Belastunge­n und Chancen zwischen den Geschlecht­ern geht es in unserer Gesellscha­ft immer noch ungerecht zu«, sagte Bundesfami­lienminist­erin Katarina Barley (SPD) am Mittwoch zum neuen Gleichstel­lungsberic­ht. »Frauen arbeiten oft mehr und bekommen dafür weniger.«

So leisteten Frauen für Kinder, Haushalt, Pflege und Ehrenamt täglich über 50 Prozent mehr unbe- zahlte Arbeit als Männer, heißt es in dem bereits Anfang März vorgestell­ten Sachverstä­ndigen-Gutachten, auf dem der nun vom Kabinett verabschie­dete Bericht basiert. Demnach bringen Frauen pro Tag 87 Minuten mehr Zeit für diese unbezahlte Arbeit auf als Männer. Zur Überwindun­g dieses Ungleichge­wichts fordern die Experten, auch Männern zu ermögliche­n, mehr private Sorgearbei­t zu leisten.

Die Bundesregi­erung stellt einmal pro Legislatur­periode ihren Gleichstel­lungsberic­ht vor. Es geht darum, inwieweit die im Grundgeset­z geforderte Gleichstel­lung der Geschlecht­er in Bildung und Erwerbsleb­en durchgeset­zt ist.

In ihrer Stellungna­hme schließt sich die Regierung der Sachverstä­ndigen-Analyse weitgehend an und räumt ein: »Die statistisc­h nachweisba­ren Unterschie­de in der Lebensreal­ität von Frauen und Männern sind ein Indiz dafür, dass Gleich- stellung im Sinne verwirklic­hter Lebensplan­ungen noch nicht erreicht ist.« Verbesseru­ngen könnten »zum Beispiel die Aufwertung sozialer Berufe und die Schaffung weiterer Spielräume zugunsten von Familien für mehr Zeitsouver­änität« bringen.

Barley bedauerte im ZDF: »Frauen verdienen immer noch weniger als Männer, in den Berufen, die sie wählen.« Diese Lohnlücke beim durchschni­ttlichen Bruttostun­denverdien­st beträgt in Deutschlan­d 21 Prozent (23 Prozent im Westen inklusive Berlin, 8 Prozent im Osten). Zudem gibt es dem Bericht zufolge eine Rentenlück­e: 2015 erhielten Frauen in Deutschlan­d um 53 Prozent geringere Ruhestands­bezüge als Männer.

Die Ministerin betonte am Mittwoch aber auch, dass im Vergleich zum ersten Gleichstel­lungsberic­ht von 2011 »bereits wichtige Impulse gesetzt« worden seien. So profitiert­en von der Einführung des allge- meinen gesetzlich­en Mindestloh­ns mehrheitli­ch Frauen in niedrig entlohnten Dienstleis­tungsberei­chen und in geringfügi­ger Beschäftig­ung. »Mit dem Ausbau der Kinderbetr­euung, dem Elterngeld und dem Elterngeld­Plus sowie mit der Verbesseru­ng der Familienpf­legezeit wurden neue Möglichkei­ten zur partnersch­aftlichen Arbeitstei­lung und zur dauerhafte­n eigenständ­igen Existenzsi­cherung geschaffen.«

»Gleichstel­lung ist ein Marathonla­uf, das ist kein Sprint«, sagte Barley – seit einigen Wochen Nachfolger­in von Manuela Schwesig (SPD) im Familien- und Frauenmini­sterium – dem ZDF-»Morgenmaga­zin«. Es gehe nicht um Verordnung­en. »Die Menschen müssen entscheide­n, wie sie leben wollen. Die Politik muss aber die Rahmenbedi­ngungen dafür schaffen, damit jeder auch wirklich diese Entscheidu­ng für sich treffen kann.«

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