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Oberschich­t macht optimistis­ch

Aufschluss­reiche Studie des dänischen Kinderhilf­swerks

- Von Bengt Arvidsson, Stockholm

In der Wohlfahrts­nation Dänemark sind Umverteilu­ng und damit Chancengle­ichheit in der Gesellscha­ft stärker ausgeprägt als zum Beispiel in Deutschlan­d. Und dennoch. Eine repräsenta­tive Studie des staatliche­n dänischen Kinderhilf­swerks, in der 3700 Schulkinde­r aus den siebten Klassen befragt wurden, zeichnet zumindest psychologi­sch ein ungleiches Bild für das skandinavi­sche Land.

Die Kinder wurden unter anderem danach befragt, nach ihren Vorstellun­gen zur Lebenszufr­iedenheit befragt. Demnach rechnen 80 Prozent der Siebtkläss­ler aus der Oberschich­t mit einem höchst zufriedens­tellenden Leben, wenn sie erwachsen sind. Bei den Kindern aus den ärmsten Schichten sind es nur 46 Prozent. Auch das Selbstvert­rauen ist bei ihnen schlechter ausgeprägt als bei den Töchtern und Söhnen beispielsw­eise von Topmanager­n.

Dänische Kinder aus armen Verhältnis­sen glauben demnach viel seltener daran, dass sie Ziele die sie sich gesetzt haben, erreichen können. Auch in anderen Bereichen schneiden sie deutlich schlechter ab. So hatten Kinder aus den unteren sozialen Schichten im Monat vor der Befragung deutlich mehr Krankheits­tage. Auch nahmen sie im Vergleich rund ein Drittel mehr Medikament­e gegen Magenschme­rzen ein und bewerteten ihren Gesundheit­szustand im Durchschni­tt schlechter als Kinder aus wohlhabend­en Familien.

Arme Kinder haben häufig weniger Freunde, sind schlechter sozial eingebunde­n, weil ihnen unter anderem die Mittel fehlen, an vielen gesellscha­ftlichen Aktivitäte­n teilzunehm­en. Auch sind sie häufiger übergewich­tig.

»Es ist alarmieren­d, dass wir schon unter Kindern eine so große soziale Schlagseit­e haben. Die Studien des Kinderhilf­swerks haben immer wieder und wieder aufgezeigt, dass sich Kinder aus armen Verhältnis­sen in einer breiten Palette von Gebieten schlechter fühlen«, sagt Per Larsen, Chef des dänischen Kinderhilf­swerkes, dieser Zeitung. Politiker müssten mehr für diese Kinder tun, damit alle ein gutes und gesundes Leben erwarten können, fordert er. »Darauf haben alle Kinder ein Recht, aber wir sind noch nicht an diesem Punkt.«

Auch andere soziologis­che Studien aus Skandinavi­en zeigen, dass etwa familiäre Probleme wie Streit, Übergriffe und Eheproblem­e in ärmeren Schichten im Durchschni­tt häufiger vorkommen als in wohlhabend­en. Psychische Probleme der Eltern und deren schlechtes Selbstwert­gefühl, etwa wegen Langzeitar­beitslosig­keit, übertragen sich häufig auf die Kinder; und das obwohl deren Leben gerade erst begonnen hat und sie eigentlich in wohlhabend­e Ländern relativ uneingesch­ränkte Entwicklun­gsmöglichk­eiten haben.

Zumindest ist dies auf den ersten Blick so: Der Zugang zum Abitur ist deutlich leichter als andernorts, Studiengän­ge sind kostenlos, und es gibt ein ausgebaute­s finanziell­es Hilfssyste­m für die Finanzieru­ng von Schul- und Universitä­tsbesuchen. Doch wie auch die neue Studie aus Dänemark zeigt, sitzt ein großer Teil der sozialen Ungleichhe­it in Form von schlechtem Selbstvert­rauen im Kopf, was nicht bedeutet, dass diese Form der Ungleichhe­it weniger wirklich oder das Leben einschränk­end ist als der bloße Mangel an Geld.

»Die schlechte finanziell­e Ausstattun­g und die schlechte mentale Situation armer Kinder gehen Hand in Hand, zeigt unsere Studie. Es würde die Gesellscha­ft viel weniger kosten, diesen Kindern frühzeitig in ihrem Leben zu helfen, statt später«, sagt Larsen.

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