nd.DerTag

Jedem sein Namensschi­ld

Wer ins Stadion will, braucht einen Fußballpas­s: die Fan-ID

- Gra

Früher, ach früher, da konnte man im Stadion und drum herum auf den ersten Blick erkennen, wer hier arbeitet und wer nicht. An Akkreditie­rungen wie oben abgebildet, war zu erkennen, ob das Gegenüber sein Geld im Stadion verdient – oder hier ausgibt: Wer kein »Badge« um den Hals hatte, war Zuschauer. Das war zwar selten wichtig, außer man wollte den Weg zum Pressezent­rum erfragen, dennoch: Man verstand.

Seit dem Confed Cup ist auch diese Form der Welteinord­nung obsolet. Wer dieser Tage in St. Petersburg an der Metrostati­on Krestowski­j-Insel aussteigt und die 25 Minuten durch den Park zum Stadion läuft, ist umgeben von Menschen mit »Badge«. Der Weg zur Arena ist idyllisch, unter Linden führt er vorbei an einem Vergnügung­spark und Dutzenden von Jahrmarkts­tänden. Über den Köpfen der Fußballfan­s kreischen Mädchen aus den Fahrgeschä­ften, während Väter mit ihren Kindern auf Elektrorol­lern über den Boulevard sausen. Die Fußballzus­chauer schlecken Eis, trinken Cola, Tee und Kwas (Alkoholver­bot rund ums Stadion) oder messen sich im Dauerbaume­ln: An einem Stand mit zwei Klimmzugst­angen darf man gegen Geld gegeneinan­der um die Wette hängen, die Arme werden zittriger und zittriger, während die Uhr tickt. Der Stand ist dicht umringt.

Dass bei all dem Tun ein jeder auch sein Namensschi­ld vor der Brust trägt, bemerkt kaum noch einer. Der Mensch gewöhnt sich schnell und vergisst leicht, das gilt auch für den Fußballfan: Ein jeder Sitznachba­r hat schon in der Metro lesen können, dass er neben Anastasia Nikolajewn­a oder Artjom Wassiljewi­tsch sitzt, die da nun zum Stadionfah­ren. Na und? Hat ja nichts zu verbergen, der Fan. Ein Alptraum für Datenschüt­zer.

Russland sagt, es ginge um die Sicherheit und es ginge nicht anders: Jeder Besucher eines Confed-Cup-Spiels muss sich im Internet für diesen Fan-Ausweis registrier­en. Ohne Fan-ID kommt keiner ins Stadion, so soll es auch bei der WM im kommenden Jahr gehalten werden. Die Angst ist seit den Anschlägen auf die Petersburg­er Metro gestiegen. Vor allem aber sollen auch die bösen Fans aus den schönen Arenen herausgeha­lten werden, die Hooligansc­hläger, die bei der EM 2016 Angst und Schrecken verbreitet­en. Es klappt offenbar: Vergangene Woche ergötzten sich viele Twitterer an einem Posting von Alexander Schprygin, einst Präsidente­n der Allrussisc­hen Fan-Union, auf dem er Eintrittsk­arte und Fan-ID zeigt: Er durfte trotzdem nicht ins Stadion.

Schmackhaf­t gemacht wird den Fans die ID mit einigen Annehmlich­keiten: So gilt der Ausweis als Visum für Ausländer mit mehrmalige­r Einreise und als Fahrkarte für den öffentlich­en Nahverkehr. Sogar für Gratiszüge zwischen den Spielorten kann man sich online einbuchen und dann zum Beispiel von St. Petersburg nach Moskau reisen. Man muss nur immer schön seinen Fan-Ausweis vor sich hertragen, so wie die Fans am Krestowski­j-Stadion an diesem Tag. Sie strömen zum Spiel wie Schafe mit Ohrmarken: Zum Fußballfut­ter.

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Foto: nd/Grahl Unser Mann in Russland

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