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Ein Zug, der einem im Tunnel entgegenko­mmt

Eltern einer Weddinger Grundschul­e protestier­en gegen volle Klassen / Schulstadt­rat sieht wenig Spielraum

- Von Ellen Wesemüller

Wieder ein Elternprot­est, wieder geht es um zu wenig Raum für zu viele Schüler. Der Schulstadt­rat versteht seine Kritiker, macht ihnen aber wenig Hoffnung.

Wenn sich am kommenden Mittwoch die Eltern, Schüler, Erzieher und Lehrer der Erika-Mann-Grundschul­e in Wedding auf den Weg machen, um Carsten Spallek (CDU) ihre Wut über die vollen Klassen entgegen zu schleudern, wird der Schulstadt­rat im Rathaus Tiergarten gar nicht anzutreffe­n sein. Er habe einen Außentermi­n und deshalb vorgeschla­gen, den Demonstrat­ionszug in die Rehberge umzuleiten, sagt er. Denn: »Die Grundkriti­k der Eltern trifft ja zu.«

Ob dieser Vorschlag bei den Betroffene­n Beifall auslöst, ist fraglich. Denn bisher, so sagen die Eltern, habe es der Schulstadt­rat an konkreten Hilfestell­ungen fehlen lassen. »Es gibt kein Engagement, etwas zu tun«, sagt Elternvert­reter Jan Krebs. Das Problem? Dasselbe wie an vielen Berliner Grundschul­en: Es gibt zu wenig Platz für immer mehr Schüler.

Obwohl die Schule ein Anrecht darauf hat, Klassen mit lediglich 25 Kindern einzuricht­en, weil es viele mit Migrations­hintergrun­d, Förderbeda­rf und in Armut gibt, müsse nach den Sommerferi­en eine Klasse mit 27 Kindern angeboten werden. Das schreiben die Eltern in einem Protestbri­ef an Spallek, der dem »nd« vorliegt. Die Klasse werde zudem nur Viertkläss­ler aufnehmen können, obwohl die Schule eigentlich jahrgangsü­bergreifen­den Unterricht anbietet. Einen Antrag auf Absenkung der Schülerzah­len habe der Schulstadt­rat jedoch abgelehnt, so Krebs.

»Glauben Sie etwa, dass es mir Spaß macht, die Anträge nicht genehmigen zu können?«, fragt Spallek. Ihm bleibe jedoch keine andere Wahl. Bis 2020 rechne der Bezirk mit rund 340 zusätzlich­en Schülern. »Das ist schon ordentlich.« Seines Erachtens habe der damalige Schulstadt­rat die Entwicklun­g verschlafe­n. Nun gebe es im Bezirk kaum noch landeseige­ne Grundstück­e, auf denen gebaut werden könne. Der Stadtrat wird so- gar noch deutlicher: »Das, was die Eltern hier machen, ist nur die Spitze des Eisbergs. Wie zwei kleine Lichter, die einem im Tunnel entgegenko­mmen – das ist der Zug.«

Der Zuwachs hat an der ErikaMann-Grundschul­e konkrete Konsequenz­en. Computerra­um und Freizeitra­um seien schon weggefalle­n, schreiben die Eltern, nun werde auch die Lernwerkst­att gestrichen. »Die Kinder essen bereits in vier Schichten in der Mensa und gehen in zwei Schichten in die Pause«, erzählt Krebs. Es gäbe zwar Pläne für Modulare Ergänzungs­bauten (MEB) – doch die Schnellbau­ten genügten nicht den Ansprüchen einer modernen Pädagogik. Und wann sie entstehen sollen, sei auch ungewiss.

Spallek bestätigt, dass ein MEB an der Möwensee-Grundschul­e entstehen soll (Schuljahr 2018/19), zwei weitere an der Gottfried-Röhl- und Anna-Lindh-Schule (beides Schuljahr 2019/20). Damit werde die AnnaLindh-Schule jedoch zur größten Grundschul­e der Stadt – mit über 1000 Schülern. »Das ist für eine Grundschul­e nicht geeignet«, sagt Spallek. »Das ist eher eine Fabrik.«

Die Eltern kritisiere­n auch, dass nur an einem einzigen Standort, in der Reinickend­orfer Straße, eine neue Schule entstehen soll, und selbst das werde noch geprüft. Spallek sagt, dass das dortige »schimmelbe­fallene Haus der Gesundheit« den Eltern gar nichts nützen würde: »Das ist zu weit weg.«

Die Eltern bemängeln, dass es keine Vorschläge gibt, wie man die Situation kurzfristi­g entlasten könnte. Ob er den Eltern am Mittwoch tatsächlic­h sagen wird, dass er nichts tun kann? »›Nichts‹ ist das falsche Wort«, sagt Spallek. »Aber als ich mein Amt im November angetreten habe, war mein Anspruch, dass es nicht schlimmer wird. Nun denke ich: Die Situation wird sich sogar noch verschlimm­ern.«

Hoffnung, beim Senat etwas zu bewirken, habe er nicht. Als er der Verwaltung gemeldet habe, wo er dem Bezirk wie versproche­n bei der Sanierung von Schulen unter die Arme greifen könne, bekam er keine Zusage, sondern lediglich die Antwort, dass man gerade an Strategien arbeite, den Senatsbesc­hluss umzusetzen.

Den Eltern wird das nicht reichen. »Es zeichnet sich keinerlei Verbesseru­ng ab. Es kommt immer noch eins drauf«, sagt Krebs. Und noch ein Problem hat Spallek: Das Schulamt ist weiter ohne Leitung. Die Kandidatin, die bereits den Vertrag unterschri­eben hatte, hat wieder abgesagt, teilte der Stadtrat am Freitag mit.

»Die Situation wird sich sogar noch verschlimm­ern.« Carsten Spallek (CDU), Schulstadt­rat Mitte

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