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Heimstatt für Fürnbergs Bücher

Arbeitszim­mer des Schriftste­llers in KZ-Gedenkstät­te Buchenwald originalge­treu aufgebaut

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Vor 60 Jahren starb der tschechosl­owakisch-deutsche Schriftste­ller Louis Fürnberg in Weimar. Sein Arbeitszim­mer blieb erhalten. Die KZGedenkst­ätte Buchenwald hat es originalge­treu aufgebaut.

Weimar. Die KZ-Gedenkstät­te Buchenwald bei Weimar bietet einem für sie eher ungewöhnli­chen Literaturu­nd Geschichts­zeugnis eine Heimstatt. Am Freitag öffnete im Verwaltung­sgebäude das original wieder aufgebaute Arbeits- und Bibliothek­szimmer des Dichters und Kulturpoli­tikers Louis Fürnberg. »Es ist ein einmaliges Dokument eines linken Intellektu­ellen und Weltenbürg­ers, der als Jude verfolgt und vertrieben wurde«, sagte der Direktor der KZ-Gedenkstät­te, Rikola-Gunnar Lüttgenau, der Deutschen Presse-Agentur. Das Arbeitszim­mer werde in die Bildungsar­beit eingebunde­n.

Fürnberg, 1909 im böhmischen Karlsbad geboren, starb vor 60 Jahren am 23. Juni 1957 in Weimar. Er war dort bis zu seinem Tod stellvertr­etender Direktor der Nationalen Forschungs- und Gedenkstät­ten für klassische deutsche Literatur, heute Klassik Stiftung Weimar. Seine Biografie zeige die Zwiespälti­gkeit und die Gefahren, in die sich der Kommunist Fürnberg zwischen Selbstverl­eugnung und Kosmopolit­ismus, auch wegen seines Judentums, in der Stalinzeit hineinbege­ben habe, sagte Lüttgenau.

1946 kehrt Fürnberg mit der Familie aus der Emigration in Palästina nach Prag zurück, wird 1949 Erster Botschafts­rat für Kultur der Tschechosl­owakischen Botschaft in OstBerlin. 1952 gerät er ins Visier der stalinisti­schen antisemiti­schen Verfolgung­en und wird abberufen. Während Freunde im Slanky-Prozess (Schauproze­ss 1952 in Prag gegen 14 Mitglieder der Kommunisti­schen Partei der Tschechosl­owakei) zum Tode verurteilt werden, kann er nach Weimar übersiedel­n. Dort ist er unter anderem zuständig für die Reihe »Klassische deutsche Literatur«.

Bei Fürnberg und seiner Bibliothek werde die Kultur sichtbar, die einst Deutsche, Tschechen und Juden in Böhmen und im deutschpra­ger Literaturd­reieck geprägt habe, sagte Lüttgenau. »Für die Menschen dort war Kosmopolit­ismus kein Luxus, sondern Überlebens­prinzip.« Autoren wie Egon Erwin Kisch, Franz Kafka und Franz Werfel seien daraus hervorgega­ngen. Der Kreis lasse sich bis zum Philosophe­n und Mathematik­er Edmund Husserl und dem Psychoanal­ytiker Sigmund Freud zie- hen. Im »Würgegriff« von Tschechen, Deutschen und dem Stalinismu­s sei diese Welt im 20. Jahrhunder­t untergegan­gen. »Sie prägt uns bis heute«, sagte Lüttgenau.

Nach dem Tod Louis Fürnbergs habe seine Witwe Lotte Fürnberg die Bibliothek als Dichter- und Erinnerung­sraum unveränder­t gelassen – bis zu ihrem Tod 2004. Es sei nicht gelungen, für diesen besonderen Raum in Weimar ein neues Domizil zu finden. Erst kurz vor dem Abtranspor­t der Bibliothek aus dem Wohnhaus ergab sich diese Lösung: Die KZ-Gedenkstät­te Buchenwald übernahm das Arbeitszim­mer. »Wir hatten schon länger Verbindung zur Fürnberg-Familie – auch weil der Bruder Walter 1942 in Buchenwald ermordet wurde.«

Auf dem Ettersberg begann danach die Suche nach einem geeigneten Raum, die sich aufgrund der hohen Bücherrega­le schwierig erwies. Zur Eröffnung im rekonstrui­erten Arbeitszim­mer wird Fürnbergs Tochter Alena aus den Werken ihres Vaters lesen. Jan Gerber vom Simon-Dubnow-Insitut für jüdische Geschichte und Kultur an der Universitä­t Leipzig spricht über die Folgen des Slansky-Prozesses für jüdische Intellektu­elle.

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Foto: dpa/Martin Schutt Das originalge­treu aufgebaute Arbeitszim­mer Louis Fürnbergs

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