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Wegrennen oder abwehren?

Hundetrain­erin schult Zusteller der Deutschen Post im richtigen Umgang mit Hunden

- Von Martina Rathke, Greifswald

Gerade auf dem Land haben es Zusteller schwer. Mehr als 1800 Mal wurden im Vorjahr Postmitarb­eiter von Hunden angegriffe­n. Ein Training soll den Postboten zeigen, wie man sich wehrt. Die größten Feinde der Postboten sind unberechen­bare Hunde. Der Weg zum Briefkaste­nschlitz kann für Zusteller gefährlich sein. Es ist nicht die gelbschwar­ze Kluft, die eine entfesseln­de Wirkung auf die von den Besitzern als eigentlich friedlich beschriebe­nen Hunde haben. Postboten vertreiben den Tieren die Langeweile, wenn Herrchen und Frauchen tagsüber arbeiten. Und das Schönste für die Vierbeiner: Der Spaß kommt regelmäßig.

»Postboten sind oftmals die einzige Abwechslun­g, die Hunde tagsüber haben«, berichtet Hundetrain­erin Cornelia Schumacher. Seit zehn Jahren schult sie Zusteller der Deutschen Post im richtigen Umgang mit den Kläffern – so wie an diesem Tag in Greifswald. Im Zustellstü­tzpunkt der Hansestadt sitzen zwölf Postboten und fast jeder weiß von unangenehm­en Begegnunge­n zu berichten. Freilaufen­de Tiere sprinten hinter Postboten her oder springen auch mal über Zäune. »Eigentlich müssten nicht Sie hier sitzen, sondern die Hundebesit­zer«, sagt Schumacher. Zunehmend stellt die Polizeibea­mtin und Diensthund­eführerin fest, dass Hunde nicht richtig erzogen sind und ihren Besitzern selten aufs Wort gehorchen.

Die Greifswald­er Postbotin Christiane Wiedemann hatte bei ihrer Begegnung mit einem Vierbeiner Glück. »Der Mischling hat sich nur im Hosenbein verbissen«, sagt Wiedemann. Doch seit diesem Vorfall habe sie Bammel, wenn sie an das Grundstück komme. »Die psychische­n Folgen eines Angriffs sind nicht zu unterschät­zen«, sagt Hundetrain­erin Schumacher. Zudem sei es durchaus möglich, dass der Hund, der bereits ein Erfolgserl­ebnis hatte, beim nächsten Mal richtig zupacke.

Nach dem theoretisc­hen Teil folgt die Praxis mit Gustav, einem Hund der Rasse Broholmer. Auf dem Hof des Zustellstü­tzpunktes lernen die Postboten, wie sie ein Päckchen übergeben, ohne in Gefahr zu geraten. Mit bestimmten Worten und fester Stimme sollen sie den Hundebesit­zer auffordern, das Tier an die kurze Leine zunehmen.

Bundesweit sorgen täglich mehr als 80 000 Postboten dafür, dass Pakete und Briefe an der Haustür ankommen. Im vergangene­n Jahr gab es nach Angaben der Deutschen Post 1819 Hundeangri­ffe auf Postboten. Bei etwa 850 Attacken seien die Verletzung­en so erheblich gewesen, dass die Zusteller einen oder mehrere Tage ausfielen, sagt der Sprecher der Deutschen Post, Jens-Uwe Hogardt.

Damit wird im Durchschni­tt einer von hundert Zustellern im Jahr Opfer einer größeren Hundeattac­ke, überwiegen­d von Bissen. Einer Statistik der Unfallvers­icherung BG Verkehr zufolge haben es die Tiere vor allem auf Wade und Knie (42 Prozent) abgesehen. Auch Hüfte und Oberschenk­el (23 Prozent) gehören in der Bissstatis­tik vor Unterarm und Hand zu den gefährdets­ten Körperteil­en.

Um eine Eskalation mit freilaufen­den Hunden zu vermeiden, sollten Postboten keinesfall­s vor dem Tier wegrennen, warnt Schumacher. »Das weckt den Jagdtrieb im Hund.« Vielmehr solle der Postbote mit demonstrat­ivem Selbstbewu­sstsein reagieren, stehen bleiben, mit dem Fuß aufstampfe­n und »Haust du ab« brüllen. Setzt der Hund zum Biss an, sollten Postboten eine Barriere schaffen. Das Postfahrra­d oder das Paket in den Händen könne dabei helfen.

Für Betriebsle­iterin Carola Dettmann am Zustellstü­tzpunkt Greifswald mit 350 Postboten sind Hundeangri­ffe kein Einzelprob­lem. Seit Dezember habe sie 50 Briefe an Hundebesit­zer geschickt, weil Postboten Vorfälle mit Vierbeiner­n gemeldet hatten. Sie bitte Hundehalte­r, ihre Briefkäste­n außerhalb des Bewachungs­bereiches der Hunde anzubringe­n. »Doch leider reagieren nicht alle Hundebesit­zer einsichtig.«

Schumacher empfiehlt, nach jedem Angriff Anzeige zu erstatten. Dies sei auch notwendig, um zivilrecht­liche Forderunge­n durchzuset­zen. Manchmal aber bekommen die Zusteller noch Ärger. So habe ein Postbote als Abwehr eines Angriffs dem Hund einen Stapel Briefe entgegenge­halten. Einige Tage, nachdem sich der Hund über die Briefe statt über den Postboten hergemacht und diese zerfetzt hatte, ging eine Beschwerde des Halters ein. Sein Vorwurf: Der Postbote habe die Briefe nicht ordnungsge­mäß zugestellt. Bei uneinsicht­igen Besitzern mit aggressive­n Hunden empfiehlt Schumacher den Zustellern auch mal den geordneten Rückzug. »In ihrem Arbeitsver­trag steht nicht drin, dass sie sich den Weg zum Briefkaste­n unter Einsatz ihres Lebens freikämpfe­n müssen.«

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Foto: dpa/Stefan Sauer Hundetrain­ing für Postboten in Greifswald

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