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Welt im Rausch

255 Millionen Menschen auf der Welt nehmen illegale Drogen / Produktion harter Rauschmitt­el schnellt nach oben

- Von Simon Poelchau

255 Millionen Menschen weltweit nehmen illegale Drogen – die Politik hält an der erfolglose­n restriktiv­en Linie weitgehend fest.

Mit dem Weltdrogen­tag am 26. Juni kämpft die UN gegen den schädliche­n Missbrauch von illegalen Drogen. Dabei setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, das Verbote wenig bringen. Während an diesem Montag am Weltdrogen­tag Politiker Reden gegen den Missbrauch psychoakti­ver Substanzen halten, werden sich vielleicht 183,3 Millionen Menschen einen Joint anzünden, 21,6 Millionen eine Ecstasy-Pille einwerfen, 17,1 Millionen eine Line Koks durch die Nase ziehen und knapp zwölf Millionen Menschen einen Schuss setzen. Denn alles in allem nehmen rund um den Globus 255 Millionen Menschen illegalisi­erte Drogen, wie der Weltdrogen­bericht der UN zeigt. 29,5 Millionen von ihnen hat der Konsum krank gemacht.

Im Dezember 1987 hatte die UN deshalb beschlosse­n, den 26. Juni als Weltdrogen­tag zu begehen. In den USA wütete damals die Crack-Epidemie. Der Berliner Bahnhof Zoo und der Züricher Platzspitz waren weithin bekannte Hotspots der Heroin-Junkieszen­e und der damalige US-Präsident Ronald Reagan führte den von seinem Vorgänger in den 1970er Jahre begonnen »War on Drugs« (Krieg gegen die Drogen) mit aller Härte fort. Doch mittlerwei­le setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass mit Verboten allein dem Drogenmiss­brauch nicht beizukomme­n ist.

Anfang 2016 etwa sorgte Ex-UNGenerals­ekretär Kofi Annan für großes Aufsehen, als er für die Legalisier­ung von Rauschmitt­eln eintrat. »Wir müssen akzeptiere­n, dass eine drogenfrei­e Welt eine Illusion ist«, schrieb er damals in einem viel beachteten Beitrag. Verbote hätten bislang kaum eine Auswirkung auf das Angebot an oder die Nachfrage nach Drogen gehabt. »Weltweit war der ›Krieg gegen die Drogen‹ nicht erfolgreic­h«, so Annan. Stattdesse­n führe die weit verbreitet­e Kriminalis­ierung und Bestrafung von Drogenkons­umenten zu überfüllte­n Gefängniss­en – und dies bedeute, dass der »Krieg gegen die Drogen« zu einem erhebliche­n Grad ein Krieg gegen Menschen sei.

Weltweit sind vor allem die harten Drogen Heroin und Kokain wieder auf dem Vormarsch, wie die UN-Zahlen zeigen. So stieg die Anbaumenge der zur Kokainprod­uktion notwendige­n Kokapflanz­e von 2013 bis 2015 um 30 Prozent. Allein 2015 wurden daraus schätzungs­weise 1125 Tonnen reines Kokain hergestell­t. Zurückzufü­hren ist dies laut der UN auf den verstärkte­n Anbau der Kokapflanz­e in Kolumbien. Gleichzeit­ig gibt es erste Anzeichen, dass der Kokainkons­um nach einer Periode des Rückgangs in Nordamerik­a und Europa wieder zunimmt – den beiden größten Märkten für dieses Rauschmitt­el.

Ähnlich ist die Entwicklun­g bei Heroin und anderen Opiaten. Um acht Prozent ist die Größe der Anbaufläch­en 2016 gestiegen. Die Produktion von Opium, dem Ausgangspr­odukt aller Opiate, legte sogar um ein Drittel zu. Grund hierfür sind laut der UN vor allem ertragreic­here Ernten in Afghanista­n, das mit zwei Drittel aller Anbaufläch­en weiterhin mit großem Abstand der größte Opiumprodu­zent der Welt ist. Gleichzeit­ig stieg offenbar aber auch die Produktion in den beiden anderen großen Anbaugebie­ten Myanmar und Lateinamer­ika. So kommen mittlerwei­le zehn Prozent des weltweit beschlagna­hmten Heroins aus Lateinamer­ika, wo Schlafmohn vornehmlic­h in Mexiko und Kolumbien kultiviert wird.

Laut den UN-Drogenexpe­rten geht dies Hand in Hand mit einer Heroinepid­emie in den USA. 828 000 Menschen nehmen dort Heroin und zwölf Millionen missbräuch­lich verschreib­ungspflich­tige Opioide. Seit der Jahrtausen­dwende schnellte die Anzahl der tödlichen Heroinüber­dosen in den Vereinigte­n Staaten dadurch nach oben, von rund 2000 im Jahr 2002 auf fast 13 000 im Jahr 2015.

Für kriminelle Banden und mitunter auch Terroriste­n sind solche Süch- te ein einträglic­hes Geschäft: Allein in Europa werden im Handel mit illegalen Drogen jährlich bis zu 30 Milliarden Euro umgesetzt. Neun Milliarden entfallen dabei auf den Handel mit Cannabis, 5,7 Milliarden auf den mit Kokain und sieben Milliarden auf das Heroingesc­häft. Diese Droge wird meist über die sogenannte Balkanrout­e aus Afghanista­n herangesch­afft, wo übrigens 85 Prozent aller Anbaufläch­en in Territorie­n liegen, in denen die Taliban aktiv sind.

Immerhin findet zumindest in Bezug auf Cannabis in einigen Ländern wie Kanada, Uruguay und Teilen der USA ein Umdenken statt, so dass der Handel legalisier­t wird. Es wäre für diese Länder und die internatio­nale Gemeinscha­ft hilfreich, wenn sie genau untersuche­n würden, was für Auswirkung­en diese Legalisier­ungen auf die öffentlich­e Gesundheit und die Kriminalst­atistik haben, gibt die UN diesen Ländern vorsichtig mit auf den Weg.

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Foto: fotolia/Vera Kuttelvase­rova
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Foto: dpa/Humayoun Shiab Afghanisch­e Opiumbauer­n bei der Ernte

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