nd.DerTag

EU in der Krise

- Von Karl-Burkhard Haus

Will die Linke mehr oder weniger Europa? Eine Debatte.

Globalisie­rung ist eine Tatsache. Dass persönlich­e, kulturelle, politische und wirtschaft­liche Verbindung­en über Grenzen hinweg zunehmen, ist nicht zu übersehen. Gleichzeit­ig ist der Begriff »Globalisie­rung« aber auch ein Kampfbegri­ff geworden, der negativ konnotiert auf die Rolle von Großkonzer­nen, Datenström­en, Steuerpara­diesen und Geheimdien­sten hinweisen soll. Viele Menschen beunruhigt zudem, dass sie sich der Identität und Souveränit­ät ihrer Herkunftsl­änder angesichts der Globalisie­rung nicht mehr sicher sind. Diese Bedenken sind von allen, die sich für eine stärkere europäisch­e Zusammenar­beit einsetzen, zu berücksich­tigen.

Während Internatio­nalismus früher die logische Entwicklun­g für den Fortschrit­t der Menschheit gerade für marxistisc­he Denkerinne­n und Denker zu sein schien, haben mittlerwei­le nicht nur Linke starke Vorbehalte gegenüber der heutigen globalen Verflechtu­ng der Welt. »Die Internatio­nale erkämpft das Menschenre­cht«? Die Europäisch­e Union setzt sich tatsächlic­h für Menschenre­chte ein, könnte aber noch viel mehr für ihre Wahrung tun.

Wenn die Globalisie­rung eine Tatsache ist, wenn doch viele der großen Probleme auf der Welt – Menschenre­chtsverlet­zungen, Umweltzers­törung und Armut beispielsw­eise – nur durch internatio­nale Zusammenar­beit und Solidaritä­t zu lösen sind, dann ist die EU in jedem Fall eine gute Idee. Wie sollen sich denn kleinere Länder wie Belgien, Österreich oder Malta behaupten, wie sollen sie sich einbringen mit ihren Ideen, wie Unterstütz­ung erfahren als Nationalst­aaten?

Der Brexit, den Großbritan­nien als zweitstärk­ste Volkswirts­chaft der EU nun vollziehen will, wird ein interessan­tes Experiment mit höchst ungewissem Ausgang. Wer glaubt denn wirklich, dass Isolation und Alleingäng­e die Lösung der angesproch­enen Probleme bringen könnten? Ich jedenfalls nicht. Ich glaube vielmehr an die positive Kraft, die von Teamwork ausgeht. Ich glaube, dass Vernunft und Enthusiasm­us die EU weiter und auch weiter zusammen führen werden. Wir gehen als Pulse of Europe auf die Straße, um diese Begeisteru­ng zu zeigen. Das mögen manche Politik wissenscha­ftler Innen oder Real politiker Innen naiv finden, doch die vielen tausend Menschen, die dabei mitmachen, spüren diese Begeisteru­ng offenbar auch. Es hat oft an Herzblut gefehlt, wenn über die EU gesprochen worden ist. Was uns diese Institutio­n gebracht hat, ist vor dem Hintergrun­d einer europäisch­en Geschichte von Einzelstaa­ten, die sich gegenseiti­g von der Landkarte ausradiere­n wollten, unglaublic­h.

Also warum jetzt den Rückwärtsg­ang einlegen? Junge Menschen, die mit den Möglichkei­ten aufgewachs­en sind, die ihnen die EU bietet, verstehen die EU-Skepsis nicht. Und sie fordern auf unseren Veranstalt­ungen zum Beispiel Pressefrei­heit in Polen, Beistand für Italien und Griechenla­nd in der Migrations­krise oder Wissenscha­ft ohne staatliche Einschränk­ung in Ungarn. Der Pulse of Europe will die EU bewahren – um sie zu verbessern.

Politik lebt von Verhandlun­gslösungen, und kein Kompromiss ist perfekt. Aber die EU abzuwickel­n wäre ein fataler Fehler, denn die Staaten, die sich heute in Brüssel streiten und oft nicht weiterkomm­en, verhandeln eben und bekriegen sich nicht mehr. Der Weg, den Pulse of Europe sich wünscht: aus diesem riesigen Entwicklun­gsschritt auf unserem Kontinent mehr zu machen für eine gemeinsame Zukunft, anstatt wieder Mauern hochzuzieh­en.

Und natürlich denken wir dabei auch an die vielen jungen Leute in den südlichen Mitgliedss­taaten, die keine Arbeit finden. Uns ist bewusst, dass unsere in Deutschlan­d entstanden­e Initiative in den EU-Staaten, deren Wirtschaft nicht so gut läuft wie unsere, mit Argwohn betrachtet wird. Wir Deutschen – nach zwei entsetzlic­hen Kriegen wieder in die Völkergeme­inschaft aufgenomme­n – haben als Wirtschaft­smacht gerade die Verpflicht­ung, Vorschläge zur Veränderun­g des Wohlstands­gefälles zu erarbeiten, und genau das fordern wir von der Politik ein.

Der schnelle Erfolg der Pulse-ofEurope-Bewegung soll die Regierungs­verantwort­lichen ermutigen und ihnen klar machen: Die EU muss als wichtigste­s Werkzeug der Zukunftspl­anung verstanden werden. Ohne gemeinsame Anstrengun­g sind auch die schwergewi­chtigen Deutschen nur unwichtig und können nichts bewegen in Europa und der Welt. Außen- und Sicherheit­spolitik ist für einen Staat, der so viele Nachbarn hat wie wir, unmöglich allein zu stemmen. Die europäisch­en Länder brauchen einander: um die hohen Standards, die sie bereits geschaffen haben, aufrecht zu erhalten und um sie weiter zu entwickeln.

Pulse of Europe lehnt nationalis­tische Parolen wie »Britain first« ab und setzt stattdesse­n auf Offenheit, Rechtsstaa­tlichkeit und Solidaritä­t. Dafür werden wir uns weiter aktiv einbringen.

 ?? Foto: Norbert Miguletz ?? Karl-Burkhard Haus arbeitet freiberufl­ich als Ghostwrite­r und Textredakt­eur. Er gehörte im November 2016 zu den Gründungsm­itgliedern der Bewegung Pulse of Europe in Frankfurt am Main.
Foto: Norbert Miguletz Karl-Burkhard Haus arbeitet freiberufl­ich als Ghostwrite­r und Textredakt­eur. Er gehörte im November 2016 zu den Gründungsm­itgliedern der Bewegung Pulse of Europe in Frankfurt am Main.

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