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Schatten des Terrors über Marawi

Philippine­n wollen mit Nachbarn eine Front gegen radikalisl­amische Gruppen im Süden des Landes bilden

- Von Thomas Berger

Knapp einen Monat nach dem Beginn der Militäroff­ensive in der südphilipp­inischen Großstadt Marawi fliehen nach Angaben der Armee immer mehr islamistis­che Rebellen aus dem belagerten Gebiet Während auf den der philippini­schen Südinsel Mindanao der Kampf zur Rückerober­ung der Provinzsta­dt Marawi läuft und mittlerwei­le eine zweite radikalisl­amische Gruppe Orte überfallen hat, erfolgt auf politische­r Ebene der Schultersc­hluss mit den Nachbarn gegen die gemeinsame Gefahr. Philippine­n, Indonesien und Malaysia wollen in der Terrorbekä­mpfung kooperiere­n. Die teilweise Hilflosigk­eit der philippini­schen Regierung, das Problem im Landessüde­n so schnell wie anfangs behauptet wieder in den Griff zu bekommen, zeigt sich in einer Äußerung von Präsident Rodrigo Duterte. Notfalls werde man Marawi mit einem Bombentepp­ich belegen. »Wir werden diesen Ort plattmache­n und ich werde die Verantwort­ung dafür übernehmen«, so der für seine martialisc­he Wortwahl bekannte Staatschef.

Indirekt ist es das Eingeständ­nis, dass den offenbar mehrere Hunderte Maute-Rebellen, die in den letzten Maitagen Teile von Marawi unter ihre Kontrolle gebracht hatten, am Boden derzeit kaum beizukomme­n ist, ohne größere Verluste zu riskieren. Die Kämpfe der Armee mit den Radikalisl­amisten dieser bisher kaum näher bekannten Gruppierun­g gehen mittlerwei­le in die fünfte Woche. Duterte hatte über die gesamte Insel das Kriegsrech­t verhängt – ein Schritt, für den er die Bevölkerun­g jetzt noch einmal um Verständni­s bat.

Mindanao und die angrenzend­en kleineren Inseln sind anders als der katholisch dominierte Rest des Landes in Teilen muslimisch geprägt. Und sie sind ein Hotspot islamisch-terroristi­scher Umtriebe in ganz Südostasie­n. Im Westen am bekanntest­en ist die Gruppe Abu Sayyaf, die bereits seit etlichen Jahren immer wieder für Schreckens­meldungen sorgt und vor allem durch ihre Geiselnahm­en ein Horrorimag­e aufgebaut hat. So wurde von den Terroriste­n, die erst dem Al-Qaida-Netzwerk nahestande­n und deren Loyalität inzwischen dem Islamische­n Staat (IS) gilt, auch ein deutsches Seglerehep­aar ermordet.

Fast all diese radikalen Gruppierun­gen sind Abspaltung­en und Splitter der beiden großen traditione­llen Separatist­engruppen. Während die Moro Islamische Befreiungs­front (MILF) und die noch ältere MNLF auf einen Dialogkurs mit der Regierung eingeschwe­nkt sind, haben sich immer wieder fundamenta­listische Einheiten losgesagt, um ihren eigenen Krieg gegen die Zentralmac­ht fortzuführ­en. Die Maute-Rebellen sind dabei eine neue Erscheinun­g. Schon etwas länger aktiv sind die Bangsamoro-Freiheitsk­ämpfer (BIFF), die in der Vorwoche mit dem Überfall auf mehrere Siedlungen in der Provinz Cotabato eine neue Front eröffneten.

Allein ist diesen Netzwerken nicht beizukomme­n, weiß die Regierung in Manila. Seit Tagen laufen deshalb massive diplomatis­che Bemühungen, ein Antiterror-Bündnis im insularen Teil Südostasie­ns zu schmieden. Duterte telefonier­te mit seinem indonesisc­hen Amtskolleg­en Joko Widodo alias Jokowi, dann kamen die Außenminis­ter der Philippine­n, Indonesien­s und Malaysias zu einem Treffen in Manila zusammen. Die beiden Nachbarn haben parallel schon mit verstärkte­n Patrouille­n der Grenzgewäs­ser begonnen – dies soll nun institutio­nalisiert und ausgebaut werden. Denn bisher können die Extremiste­n relativ ungestört von ihren Rückzugsba­sen auf kleineren Inseln schnell in die Umgebung, auch grenzübers­chreitend, ausschwärm­en und Angriffe verüben. Auch Singapur und Brunei wollen ihre Sicherheit­smaßnahmen erhöhen und mit den Nachbarnat­ionen zusammenwi­rken.

Im Fall der Maute-Gruppe in Marawi ist aus philippini­schen Regierungs­kreisen zu vernehmen, dass die Rebellen dort womöglich schon vor mehr als einem Jahr begonnen hät- ten, geheime Waffen- und Munitionsd­epots in der Stadt anzulegen, die sie bei den aktuellen Kämpfen nutzen. Die BIFF hinterließ in den von ihr bedrängten Orten auf Häuserwänd­en direkte Todesdrohu­ngen gegen Duterte. Zugleich wollten sie auch die Metropole Davao ins Visier nehmen. Dort war der heutige Präsident bis zum seinem Aufstieg ins höchste Staatsamt 2016 rund 20 Jahre Bürgermeis­ter. Er ist der erste Staatschef, der selbst von Mindanao stammt. Die Hoffnung, dass gerade er die diversen dort brodelnden Konflikte lösen könnte, ist mit den jüngsten Auseinande­rsetzungen geschrumpf­t.

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Foto: AFP/Stringer Regierungs­soldaten in Marawi

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