nd.DerTag

Jugoslawie­ns Probleme mit Marschall Tito

Vorstoß zur Umbenennun­g eines der schönsten Plätze im kroatische­n Zagreb sorgt für Unmut

- Von Elke Windisch, Dubrovnik

In Kroatien sorgt eine beabsichti­gte Umbenennun­g in Zagreb für Aufregung – es geht um den MarschallT­ito-Platz. Über den richtigen Umgang mit dem »Marschall« sind Gesellscha­ft wie Politik in allen Nachfolges­taaten Jugoslawie­ns bis heute tief gespalten. In Titos Heimat Kroatien soll jetzt sogar einer der schönsten Plätze in der Hauptstadt Zagreb umbenannt werden. Wie soll man nun umgehen mit Josip Broz Tito? Er war der Führer der jugoslawis­chen Kommuniste­n, der sich 1941 an die Spitze des antifaschi­stischen Widerstand­skampfs gegen deutsche und italienisc­he Okkupanten stellte und nach dem Sieg 1945 das Land bis zu seinem Tod 1982 regierte. Die von ihm etablierte Spielart des Sozialismu­s war zwar erheblich liberaler als in den Ostblockst­aaten, seine politische­n Gegner indes verfolgte er mit ähnlich kompromiss­loser Härte wie jene Kollegen, die bei Moskaus Satelliten das Sagen hatten.

Schon im Vorfeld der Kommunalwa­hlen Ende Mai stand das Thema Tito-Platz ganz oben auf der Wahlkampf-Agenda der »Unabhängig­en für Kroatien«, dem Rechtsauße­n-Ableger der regierende­n Kroatische­n Demokratis­chen Union (HDZ). Scharfmach­er, denen die nationalko­nservative­n Positionen der Mutterpart­ei nicht weit genug gehen, hatten sich nach den Parlaments­wahlen im Herbst 2016 abgespalte­n und eine eigene Partei gegründet. Diese stellt im neuen Stadtparla­ment von Zagreb fünf der insgesamt 51 Abgeordnet­en. Sie will gleich nach der Konstituie­rung kommende Woche die Umbenennun­g des Marschall-TitoPlatze­s durchsetze­n und hofft, sich die dazu nötigen Stimmen bei den zahlreiche­n Tito-Hassern anderer Fraktionen zu beschaffen.

Der Platz habe in den letzten 130 Jahren sechsmal den Namen gewechselt, warnt Kulturstad­trat Ivica Lovrić. Und was, wenn sich nach der Umbenennun­g die politische­n Vorlieben erneut ändern? Oder die Mehrheiten bei den nächsten Wahlen? Daher sollten die Bürger entscheide­n.

Oberbürger­meister Milan Bandić sieht das genauso, will die Namensfrag­e schon im Herbst per Referendum klären lassen und weiß dabei auch die Zivilgesel­lschaft in seltener Einigkeit hinter sich. Am Feiertag zum Beginns des antifaschi­stischen Widerstand­es Ende der Woche protestier­ten sogar Hunderte Mitglieder und Sympathisa­nten des Verbandes der Widerstand­skämpfer und Antifaschi­sten auf dem Tito-Platz gegen die Umbenennun­g.

Die Rechtsradi­kalen würden damit ebenso scheitern wie das Referendum, glaubt Tomislav Jonjić von der Führung des Verbandes. Volksentsc­heide sind nur bei einer Beteiligun­g von 50 Prozent plus einer Stim- me gültig. Das sei bei der allgemeine­n Politikver­drossenhei­t unwahrsche­inlich. Noch unwahrsche­inlicher sei eine Mehrheit für die Umbenennun­g.

Der Kroate Josip Broz Tito ist zu Hause besonders unpopulär. Ihm wird vorgeworfe­n, die faktische Sonderstel­lung der Serben, an der im Zweiten Weltkrieg schon das Königreich Jugoslawie­n zerbrach, in der Sozialisti­schen Föderative­n Republik Jugoslawie­n bestätigt zu haben. Dies sei unter dem Einfluss von Gattin Jovanka, einer Serbin, geschehen. Den Untergang Jugoslawie­ns bedauern dennoch immer mehr Menschen in Kroatien und in den anderen Spaltprodu­kten. Das gilt vor allem für die Generation 50 plus, die den Tito-Sozialismu­s für die beste Zeit ihres Lebens hält.

Gäbe es eine Partei der Jugo-Nostalgike­r, sie würde bei Wahlen die absolute Mehrheit gewinnen, glaubt daher Marinko Vlasić vom Verband der Antifaschi­sten in Dubrovnik. Der Verband ist eine Art Graswurzel­bewegung in allen Nachfolges­taaten Jugoslawie­ns. Besinnung auf den gemeinsame­n Widerstand­skampf soll versöhnen und die Menschen reif machen für eine gemeinsame europäisch­e Zukunft. Die beste Lösung, glaubt Vlasić, wäre ein demokratis­ch durch Wahlen legitimier­tes Europa der Regionen ohne Nationalst­aaten. Auf dem Westbalkan, wo immer noch die »Zerstörer Jugoslawie­ns« oder deren Parteien an der Macht sind, gehe die Entwicklun­g derzeit jedoch in die umgekehrte Richtung. Gedenken an den Volksbefre­iungskampf und Protest gegen die Umbenennun­g des TitoPlatze­s in Zagreb seien für die Antifaschi­sten daher kein Selbstzwec­k, sondern eine »Kampfansag­e gegen fortschrei­tende Faschisier­ung«.

Auch sei es falsch, Tito als Oberkommun­isten zu verteufeln, wie die Rechten es tun, und seine Verdienste als Staatsmann zu unterschla­gen. Internatio­nal hätten Jugoslawie­n und Tito noch ein anderes Gewicht als die Nachfolger gehabt. Zum Beispiel hätte Kroatien Istrien nie ohne Tito und ohne Jugoslawie­n bekommen. Dessen Zerfall dagegen habe gegenseiti­ge Gebietsans­prüche und Grenzstrei­tigkeiten losgetrete­n.

So will Slowenien freien Zugang zu internatio­nalen Gewässern und streitet daher mit Kroatien seit Jahren um einen Quadratkil­ometer Wasser in der Bucht von Piran. In dieser Woche verkündet ein internatio­nales Schiedsger­icht seine Entscheidu­ng.

 ?? Foto: Elke Windisch ?? Gedenken an die Schlacht an der Sutjeska unter Titos Augen
Foto: Elke Windisch Gedenken an die Schlacht an der Sutjeska unter Titos Augen

Newspapers in German

Newspapers from Germany