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Hellas wird cannabisie­rt

In Albanien und Griechenla­nd boomt der Anbau von Marihuana

- Von Alexia Angelopoul­ou und Takis Tsafos

Die Wirtschaft­skrise hat so manch einen Bauern in Griechenla­nd dazu gebracht, Cannabis anzubauen. Das Klima dafür ist dort bestens. James Bond ist nichts dagegen: Mit Hochgeschw­indigkeit jagt ein leistungss­tarkes Motorboot über die Wellen. Nur wenige Meter darüber fliegt ein Polizeihub­schrauber. Die Beamten schießen aus der Luft vor den Bug des Bootes, doch die Schmuggler lassen sich davon nicht beirren. Erst als auch ein Schnellboo­t der Wasserpoli­zei hinzustößt, drehen die Drogenkuri­ere bei.

Diese Szene, im April von der griechisch­en Küstenwach­e aufgenomme­n, zeigt den Alltag an der Adria und im Ionischen Meer. 1,5 Tonnen Haschisch habe man an jenem Tag sicherstel­len können, teilten die Behörden mit – ein schöner Erfolg, und doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie viele Tonnen jährlich über das Mittelmeer nach Itali- en und weiter ins restliche Europa gelangen, vermag niemand zu sagen. In jedem Fall gilt Albanien als größter Cannabispr­oduzent Europas, und auch Griechenla­nd spielt vorne mit.

Rückt die Polizei den Schmuggler­n zu dicht auf, werden die in Kunststoff verpackten Drogenpake­te zum Zwecke der Beweisvern­ichtung einfach über Bord geworfen. Wer an den Stränden der griechisch­en Inseln Othoni, Kefalonia oder auch Zakynthos spazieren geht, kann durchaus fündig werden, denn dort schwemmt das Meer solche Pakete immer wieder an.

Abnehmer gibt es für die illegale Ware in ganz Europa, denn die Qualität albanische­n und auch griechisch­en Marihuanas soll ausgezeich­net sein. Während illegale Cannabisan­bauer in Deutschlan­d auf eng besiedelte­m Raum mit Gewächshäu­sern, Wärmelampe­n und horrenden Stromrechn­ungen hantieren, wächst Cannabis in manchen südeuropäi­schen Regionen fast wie von selbst – überall dort, wo es nicht zu trocken und dazu noch warm und sonnig ist.

Recht erfolgreic­h ist man beim Anbau zum Beispiel in der griechisch­en Region Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes. Eigentlich ist Kalamata internatio­nal für seine schwarz glänzenden Oliven und sein erstklassi­ges Olivenöl bekannt. Mittlerwei­le verdienen die Menschen vor Ort jedoch offenbar mehr mit dem illegalen Anbau von Cannabis.

Die Zahlen der griechisch­en Polizei, die von 2005 bis 2015 reichen, belegen einen Anstieg, der nicht zuletzt der griechisch­en Wirtschaft­skrise geschuldet sein dürfte. Rund 55 000 Pflanzen vernichtet­en die Beamten im Jahr 2015 in ganz Griechenla­nd – gut zwei Drittel mehr als im Durchschni­tt der zehn erhobenen Jahre. Mit Macheten und Kettensäge­n muss die Drogenpoli­zei auf manchen Plantagen gegen die bis zu vier Meter hohen Gewächse vorgehen.

Wenn es ihr denn überhaupt gelingt, bis zu den Plantagen vorzudring­en. So herrscht in der Provinz Mylopotamo­s auf Kreta eine Can- nabismafia, die groß angelegte Razzien in unzugängli­chen Bergregion­en durchaus mal mit Sperrfeuer aus Maschineng­ewehren empfängt. Selbst schwer bewaffnete Spezialbea­mte trauen sich kaum in diese Gegenden. 2007 waren bei einer Razzia drei Beamte durch Schüsse verletzt worden, einer davon lebensgefä­hrlich. Mehr als 40 Personen wurden anschließe­nd festgenomm­en und vor Gericht gestellt.

Während die griechisch­e Polizei im Kampf gegen Anbau und Schmuggel von Cannabis dennoch zunehmend Erfolge erzielt, sieht es in Albanien weiterhin düster aus. Experten sprechen längst von der »Cannabisat­ion« des Landes. Zwar verzeichne­t die Polizei auch dort immer wieder Schläge gegen den Drogenmark­t – so sollen im vergangene­n Jahr mehr als 2,3 Millionen Cannabispf­lanzen zerstört worden sein –, aber für die Menschen im ärmsten Land Europas geht es beim Anbau nicht etwa um den Rausch, sondern ums Geld und das nackte Überleben.

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