Viele Akteure – schwierige Materie
BUND-Geschäftsführer hält Kritik an Verzögerungen beim Radgesetz für überzogen
Die Macher des Radentscheids beklagen, dass der Dialogprozess zum Radgesetz sich hinzieht und die ursprünglich angesetzten Termine nicht eingehalten werden. Können Sie das nachvollziehen?
Ich kann das Unverständnis verstehen, soweit es die Bereitstellung der Bearbeitungskapazitäten, also von Juristen, betrifft. Allerdings hat jeder von den Teilnehmern am Dialog – Verbände und Politik – seinen Teil dazu beigetragen, dass wir nicht so weit sind, wie wir terminlich gerne wären. Dafür ist der aktuelle Arbeitsstand inhaltlich auch nach Ansicht der Initiative umfassender als deren Entwurf – allerdings gibt es noch zahlreiche zu klärende Fragen. Wichtig ist nicht allein Schnelligkeit, sondern auch Qualität und Rechtssicherheit.
Ist das Radgesetz tatsächlich so eine schwierige Materie?
Das Radgesetz ist grundsätzlich Neuland, das gibt es bundesweit so nicht. Nicht nur inhaltlich, sondern auch vom gesetzgeberischen Ansatz. Es sollen möglichst konkrete Ziele definiert werden, allerdings dürfen diese aus verfassungsrechtlichen Gründen
nicht gegen die Straßenverkehrsordnung des Bundes verstoßen. Zudem muss das Zusammenspiel mit zahlreichen anderen Gesetzen beachtet werden, zum Beispiel bei der Zuständigkeit von Land und Bezirken für die Planung. Herausforderung ist zudem, dass mit dem Gesetz der Verwaltung Instrumente in die Hand gegeben werden, die Ziele möglichst umsetzen zu können. Entscheidend für den Radverkehr ist am Ende das, was wirklich umgesetzt wird – nicht, was als Ziel im Gesetz steht.
Trotzdem macht Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) in der Öffentlichkeit damit nicht immer eine gute Figur. Kommuniziert sie zu wenig?
Beim Raddialog hatten wir vereinbart, den Entwurf gemeinsam in der Runde zu entwickeln – und dann in den öffentlichen Diskurs zu gehen. Damit steht die Senatorin natürlich in der Defensive, wenn die Initiative vorprescht und meines Erachtens teilweise auch ungerechtfertige Kritik übt. Festzustellen ist: Auch der Senat und die Regierungsfraktionen arbeiten mit Engagement im Rahmen ihrer Möglichkeiten daran, dass das Radgesetz noch dieses Jahr verabschiedet wird.
Der BUND und andere Verbände hatten Punkte des Gesetzentwurfs zum Radentscheid kritisiert. Von Seite der Initiative wurde Ihnen große SPD-Nähe attestiert.
Da wir aktuell nicht alle Kritikpunkte der Initiative teilen, kann uns jetzt unterstellt werden, grün-nah oder generell zu politiknah zu sein. Wir hatten im Vorfeld des Volksbegehrens entschieden, dass wir als Umweltverband den Radentscheid konstruktiv begleiten, aber aus dezidiert genannten inhaltlichen Gründen und strategischen Gründen nicht als aktiver Unterstützer an Bord zu gehen. Mit unserem Engagement parallel zum Volksbegehren haben wir im letzten Juni bei der SPD die Zusage für mindestens 40 Millionen Euro pro Jahr und mehr Stellen für den Radverkehr sowie die Integration des Radgesetzes in ein umfassendes Mobilitätsgesetz durchgesetzt. Das war dank des politischen Drucks durch das Volksbegehren mehr als damals Grüne und LINKE, aber auch der Fahrradclub ADFC forderten.
Der BUND setzt sich auch stark für einen Ausbau des Straßenbahnnetzes ein. Wird es gelingen, die ambitionierten Ziele des Koalitionsvertrags zu realisieren?
Die Umsetzung der Straßenbahnpläne wird, wie der Ausbau der Radinfrastruktur, eine große Herausforderung. Dazu muss die in den letzten Jahren kaputtgesparte Verwaltung endlich wieder mit ausreichend Personal und optimierten Prozessen handlungsfähig gemacht werden. Zudem muss mit den Planungen auch die gesellschaftliche Diskussion gewonnen werden. Wir versuchen daher Unterstützer vor Ort zu gewinnen, um den Handlungsdruck für eine zeitnahe Realisierung zu erhöhen. Schließlich ist unsere grundsätzliche Mission, Mehrheiten für eine ökologische Verkehrspolitik in der Stadt nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft, zu gewinnen.
Sind Sie ein Senatsversteher? Teilweise. Die Rolle von Verbänden geht immer mehr in die Richtung, dass man zwischen Politik und Verwaltung einerseits und den Bürgern andererseits steht. Wenn man sich intensiv in politische und administrative Prozesse einbringt, entwickelt man durchaus auch Verständnis dafür, dass nicht immer alles so einfach umsetzbar ist wie gedacht. Insofern ist auch für Verbände der Druck durch neue und innovative Initiativen heilsam, nicht zu viel Verständnis zu entwickeln.
Ihr Verband setzt sich sowohl für Umwelt- als auch den Naturschutz ein. Da gibt es sicher auch interne Konfliktpunkte?
Ja. Ein Verband wie der BUND ist nicht homogen, sondern versammelt zahlreiche Akteure mit einem breiten Themenspektrum. Da gibt es durchaus Konflikte, zum Beispiel Naturschutz und Erholungssuchende versus Radverkehr in Grünanlagen oder zu Standorten für Windkraftanlagen. Das Ringen um gemeinsame Lösungen stärkt uns aber auch in der politischen Handlungsfähigkeit, da wir somit fundierte Positionen entwickeln müssen.