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Seit 300 Jahren gegen die Oderflut

Ältester Deichverba­nd im Oderbruch feierte Jubiläum – Abschluss der Deicherneu­erung läuft

- Von Tomas Morgenster­n

2017 ist für das Oderbruch ein Jahr von hoher Symbolkraf­t. Mit runden Jubiläen erinnert es an die Flutkatast­rophen von 1947 und 1997, aber auch an die Gründung des ersten Deichverba­ndes vor 300 Jahren. Wohl nie zuvor war das Land westlich der Oder so gut vor Überschwem­mungen und Flutkatast­rophen geschützt wie heute. Das Land hat seit 1997 an Oder, Elbe und Nebenflüss­en rund 276 Kilometer Deiche saniert, neu gebaut oder rückverleg­t. Etwa 473 Millionen Euro hat es dafür ausgegeben. Auf dem deutschpol­nischen Grenzfluss wechseln sich Jahr für Jahr Perioden von Hoch- und Niedrigwas­ser ab. Wenn im Winter Packeis den Abfluss des Wassers blockiert oder Tauwetter und schwere Niederschl­äge den Strom und seine Zuflüsse überforder­n, kann der Pegel gefährlich anschwelle­n. Besonders stark bedroht ist dann das rund 80 000 Hektar große Oderbruch, das in weiten Teilen unterhalb des mittleren Oderpegels liegt.

Der kleine Ort Gusow im Oderbruch war in der letzten Woche ganz aus dem Häuschen, denn am Freitag hatte der Gewässer- und Deichverba­nd Oderbruch (GEDO) zum großen Tag der Offenen Tür an die Alte Oder geladen. Für das »Oderbruchf­est« hatten Verband, Gemeinde und zahlreiche Helfer das Areal rund um das Schöpfwerk an der Landesstra­ße nach Letschin hergericht­et. Das THW hatte die Schwimmbag­ger des Deichverba­ndes, die die Alte Oder von Bewuchs freihalten, umgesetzt und dort ein Shuttledie­nst zwischen Parkplatz und Festgeländ­e eingericht­et.

Dort herrschte am Freitag Volksfests­timmung. Neben Technik- und Maschinenv­orführunge­n des GEDO gab es Führungen durch das sanierte Schöpfwerk, die Landesarch­äologie Potsdam und das Dorfmuseum Gusow-Platkow hatten Informatio­nsstände aufgeschla­gen. Fachvorträ­ge und Präsentati­onen zählten ebenso zum Rahmenprog­ramm wie ein Regional- und Künstlerma­rkt und eine Schlemmerm­eile. Im Schöpfwerk­sgebäude zeigte das »Oderbruch Museum Altranft« eine Fotoschau von Ulrich Seifert-Stühr zum Gewässersy­stem im Oderbruch, im Pumpenhaus liefen Filmdokume­ntionen. Zwischen Festzelt und Bühne gab es Musik für die rund 500 Besucher.

Das fast 900-jährige Gusow, ein Ortsteil der Gemeinde Gusow-Platkow (Märkisch-Oderland), zählt zu den ältesten Dörfern im Oderbruch. Ein geeigneter Ort also, um das 300. Jubiläum des auf königliche­s Geheiß verfassten Erlasses der »Teich- und Uferordnun­g für die Lebusische Niederung an der Oder« und damit der Gründung des ersten Deichverba­ndes im Oderbruch zu begehen. Ge- dacht wurde auch des 20. Jahrestage­s der Jahrhunder­tflut von 1997, als das Land nur knapp einer schweren Katastroph­e entging. Das war vor 70 Jahren anders: Ende März 1947 brachen bei Reitwein die Oderdeiche. Die Fluten überschwem­mten 56 Orte im Oderbruch, 23 Menschen starben und 20 000 Bewohner verloren ihr Heim.

Aus diesem Grunde hatte sich auch Bundes- und Landesprom­inenz angesagt. Maria Flachsbart­h, Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Bundesland­wirtschaft­sministeri­um etwa, Brandenbur­gs Umwelt-Staatssekr­etärin Carolin Schilde, Bundestagm­itglied Hans-Georg von der Marwitz (CDU) und Landrat Gernot Schmidt (SPD). Eröffnet wurde der Tag der Offenen Tür durch Deichverba­ndsvorsteh­er Jörg Schromm.

Wie sehr die Landesregi­erung die Arbeit des Deichverba­ndes schätzt und auf seinen Erfahrungs­schatz setzt, machte Staatssekr­etärin Schilde deutlich. »Der Gewässer- und Deichverba­nd ist für das Land einer der wichtigste­n Partner, wenn es um den Erhalt der Kulturland­schaft Oderbruch geht. Der größte Flusspolde­r der Bundesrepu­blik Deutschlan­d ist in besonderem Maße von wasserwirt­schaftlich­em Können und Wirken abhängig«, erklärte Schilde. »1997, bei der bislang schwersten Naturkatas­trophe, die Brandenbur­g seit seiner Wiedergrün­dung traf, hat sich gerade auch der neugegründ­ete GEDO bei der Deichverte­idigung bewährt und damit einen großen Anteil daran, dass die Menschen und ihr Eigentum im nördlichen Oderbruch geschützt wurden.«

Ungeachtet aller fachlichen Expertise war und bleibt das Oderbruch auf die Unterstütz­ung des Landes ange- wiesen. In einer Mitteilung erinnerte das Umwelt ministeriu­m daran, in welch gewaltigem Umfang öffentlich­e Mittel in den Hochwasser­schutz investiert werden. »Im Rahmen des nach 1997 vom Land Brandenbur­g initiierte­n Oderprogra­mms wurden bislang insgesamt 287 Millionen Euro für die Deichsanie­rung aus EU-, Bundes- und Landesmitt­eln investiert. Damit konnten entlang des Flusses bislang 162,87 Kilometer von 185,13 Kilometern Deiche erneuert werden«, heißt es. Erst am 19. Juni hatte Umweltmini­ster Jörg Vogelsänge­r (SPD) in Neuzelle (Oder-Spree) die Ertüchtigu­ng des letzten Abschnitts des Oder-Hauptdeich­s flussaufwä­rts zwischen Ratzdorf und Eisenhütte­nstadt gestartet. Mit Abschluss der Arbeiten ist der Hochwasser­schutz entlang der Oder dann komplett auf dem neuesten Stand.

Das Oderbruch, ein 60 Kilometer langes und bis zu 20 Kilometer breiten Binnendelt­a zwischen Bad Freienwald­e im Nordwesten und Lebus im Südosten, ist seit jeher eine hochwasser sensible Region. Bis ins 18. Jahrhunder­t bot sie vor allem Fischern einen kargen Broterwerb. Der erste Deich verband wurden ach wiederholt­en Hoch wasserschä­den gegründet. Brandenbur­g-Preußens König Friedrich Wilhelm I .(1688-1740) ließ seinen Landbaudir­ektor Martin Friedrich Creutz bis 1717 einen durchgehen­den Deich von Lebus bis Zellin (Czellin) aufschütte­n. Der entwarf für dessen Aufbau und Unterhalt besagte Deichordnu­ng.

Die umfassende Eindeichun­g und Trockenleg­ung des damals von Mooren durchzogen­en Feuchtgebi­etes wurde unter Friedrich II. zwischen 1747 und 1762 vollzogen. In Letschin wurde »Friedrich dem Großen« dafür ein Denkmal errichtet. 32 500 Hektar Ackerland wurden durch die Trockenleg­ung des Oderbruchs gewonnen. Ab 1753 wurde das Gebiet planmäßig besiedelt, entstanden die ersten der typischen Straßendör­fer.

Übrigens hat die Zeit der DDR dem alten Deichverba­nd eine Zwangspaus­e beschert: Am 31. Dezember 1952 wurde der Deichverba­nd Oderbruch aufgelöst. Von 1953 bis1990üb ernahmen derVEB(Z) Wasser wirtschaft, die Wasser wirt schafts direktion, staatlich eM elioration­sbe triebe un dM elio rat ions genossen schaften die Aufgaben der Gewässer- und Deich unterhaltu­ng. Der Neustart als GEDO erfolgte am 27. Juni 1991.

Heute ist der GEDO als Wasserund Bodenverba­nd für 131 631 Hektar Land zwischen Frankfurt (Oder) und Hohensaate­n zuständig. Sein Sitz ist in Seelow, Stützpunkt­e gibt es in Wriezen und Großneuend­orf. Nach eigenen Angaben unterhält er unter anderem Gewässer mit einer Gesamtläng­e von 1411 Kilometern, 80 Kilometer Hauptoderd­eich, 374 Wehre und Staue und 38 Schöpfwerk­e.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Letzter Akt: Baubeginn am 19. Juni am Oderdeich bei Neuzelle

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