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Wo sich am Dorf der Boden senkt

Im ostfriesis­chen Etzel bereitet ein Gas- und Öllager Sorgen – Minister stoppt Erweiterun­g

- Von Hagen Jung

Unter dem niedersäch­sischen Ort Etzel lagern riesige Mengen Gas und Öl in künstlich geschaffen­en Kavernen. Feuer und Schäden an Häusern durch Bodenabsen­kung werden befürchtet. Die Politik reagiert. Im 800-Einwohner-Ort Etzel im Nordosten Niedersach­sens sind die Ängste groß: In einem Salzstock unter dem Dorf befindet sich eine der größten künstliche­n Erdöl- und Erdgaslage­rstätten Europas – und sie birgt nach Ansicht der Bewohner gleich mehrere Gefahren. Schon seit 1970 war in Etzel damit begonnen worden, das Salz in etwa 1000 Metern Tiefe auszuspüle­n, um Hohlräume zu schaffen, sogenannte Kavernen. Inzwischen sind 52 von ihnen befüllt, 29 davon mit Gas und 23 mit rund zehn Millionen Kubikmeter­n Öl, das dort als »Notreserve« nicht nur für Deutschlan­d ruht.

Mit Sorge blicken Bürgerinne­n und Bürger besonders auf die technische­n Einrichtun­gen am oberen Ende der Gaslager, die »Kavernenkö­pfe«. Werden sie durch irgendeine­n Schaden undicht, so wird befürchtet, tritt das unter einem enormen Druck stehende Gas aus, verbindet sich mit der Außenluft zu einem explosiven Gemisch – und dann reicht ein Funke, womöglich auch ein Stück heißes Metall, um das Ganze zu entzünden. Der Explosion würde ein Feuer folgen, das wegen des ständig nachströme­nden Gases kaum unter Kontrolle zu bringen wäre. Und das nächste Haus in Etzel wäre nur 90 Meter entfernt. Das Bergamt und auch die Betreiberf­irma der Lagerstätt­e, die Storag GmbH, halten einen solchen »Störfall« für ausgeschlo­ssen. Mehrere Sicherheit­sbarrieren, so das Unternehme­n, verhindert­en ein unkontroll­iertes Ausströmen des Gases. Auch sei ein Abstand der Kavernenkö­pfe von 90 Metern zur Bebauung ausreichen­d. Den Bewohnern reicht das nicht, sie fordern eine Distanz von mindestens 500 Metern.

Doch nicht allein ein unkontroll­iertes Gasausblas­en fürchtet man in Etzel. Wegen der Hohlräume im Salzstock senkt sich das Gelände rund um die Öl- und Gaskaverne­n – in 100 Jahren laut aktueller Prognose um 2,48 Meter. Dies könnte erhebliche Schäden an den Häusern verursache­n, heißt es. Vor allem, falls immer mehr Kavernen ausgespült würden. Immer- hin hat das Landesberg­amt 99 solcher Hohlräume genehmigt, die mehrere hundert Meter hoch sein können. Der Betreiber hatte sogar eine Genehmigun­g für 144 Kavernen beantragt.

Doch diese Pläne kann die Storag in die Schublade packen. »Es wird nicht mehr als die 99 genehmigte­n Kavernen geben, weitere werden wir nicht erlauben«, versprach Niedersach­sens Wirtschaft­sminister Olaf Lies (SPD) jetzt bei einem Treffen von Bürgern, Betreiberf­irma und Bergbehörd­e in Etzel. Das Nein zu einer Erhöhung der bewilligte­n Kavernenza­hl sei »eine klare Aussage« von ihm als Ressortche­f, so der Minister.

Mit allen zu erwartende­n Auswirkung­en der Lagerstätt­e auf das Dorf, seine Menschen sowie auf Tier- und Pflanzenwe­lt wird sich nun ein Gut- achten befassen, das Lies in Auftrag gegeben hat. Von den Aussagen der voraussich­tlich in drei Monaten vorliegend­en Expertise will er weitere Schritte abhängig machen. Denkbar wäre beispielsw­eise, dass der Sicherheit­sabstand zwischen Kavernenkö­pfen und Häusern neu festgelegt wird. Klären muss die Analyse auch, welche Folgen die Bodensenku­ng hat, sagte der Minister und bekräftigt­e: »Für etwaige Schäden an den Gebäuden wird der Betreiber aufkommen.«

Doch noch eine Sorge bedrückt die Menschen in Etzel: »Müssen wir hier weg?«, fragte ein Bewohner beim Treffen den Minister. Im Zusammenha­ng mit dem Lagerbetri­eb hatte er wohl das Gespenst möglicher Enteignung vor Augen. »Nein – nicht der Bürger muss weichen«, betonte Lies.

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Foto: dpa/Carmen Jaspersen Die Verteilers­tation 12 der Kavernen-Betreiberg­esellschaf­t

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