nd.DerTag

Als Bayern am Panama-Kanal lag

Vor 25 Jahren wurde die umstritten­e Main-Donau-Wasserstra­ße fertiggest­ellt

- Von Klaus Tscharnke, Nürnberg

In Festreden pries ihn die Staatsregi­erung einst schon mal als »Jahrhunder­tprojekt«. So viel Euphorie löst der Main-Donau-Kanal heute nicht mehr aus. Doch das Projekt hat eine ganze Region verändert. Bayerns Ex-Ministerpr­äsident Max Streibl (CSU) hielt ihn für ein »Jahrhunder­tprojekt«, in Festreden pries ihn die Staatsregi­erung schon mal als »weiß-blauen Panama-Kanal« – den Main-Donau-Kanal im Norden Bayerns. Naturschüt­zer sprachen dagegen von einem »ökologisch-ökonomisch­en Albtraum«. Kaum ein Mammutproj­ekt erhitzte einst die Gemüter in Bayern so sehr wie der Main-DonauKanal. Daran hat sich bis heute, 25 Jahre nach der Freigabe des letzten Kanalabsch­nitts, kaum etwas geändert.

Zwar haben sich die Gemeinden entlang der Wasserstra­ße inzwischen mit dem Kanal arrangiert. Und auch die schweren Landschaft­seingriffe erscheinen unter dichtem Grün längst nicht mehr so dramatisch wie in den Anfängen. Der Bund Naturschut­z (BN) und andere Naturschut­zverbände hadern dagegen bis heute mit den damit verbundene­n gravierend­en Natur- und Umweltschä­den.

Dabei hatten Bund und Freistaat Bayern mit dem Bau des 171 Kilometer langen Kanals einen mehr als 1000 Jahre alten Traum wahr gemacht – den von einer durchgehen­den Wasserstra­ße zwischen Nordsee und Schwarzem Meer. Schifffahr­tsbehörde und Tourismusr­egion Naturpark Altmühl lassen sich daher von der Kritik der Naturschüt­zer nicht beeindruck­en. Beide begehen das eigentlich erst Ende September anstehende Jubiläum seit dem Frühjahr mit Schleusenk­onzerten, Feuerwerke­n und Infoverans­taltungen.

Höhepunkt war Mitte Juni zunächst die Eröffnung der »Erlebniswe­lt Wasserstra­ße« in der Gösselthal­mühle bei Beilngries (Landkreis Eichstätt). Beleuchtet wird in der Ausstellun­g neben der »Rolle des Kanals für die Binnenschi­fffahrt« vor allem seine »Bedeutung als Lebensader für die Region«. Es soll daran erinnert werden, dass über die Wasserstra­ße jährlich rund 125 Millionen Kubikmeter Donau- und Altmühlwas­ser ins regenarme Franken geschleust werden. Ohne die sogenannte Wasser- überleitun­g, so sind Fachleute überzeugt, würden mehrere Mainzuflüs­se in heißen Sommern trockenfal­len. In wirtschaft­licher Hinsicht hätten sich Politik, Hafenbetre­iber und das Nürnberger Wasserstra­ßen- und Schifffahr­tsamt im Jubiläumsj­ahr eine bessere Bilanz gewünscht. Die Kanalbetre­iber erleben seit 2013 ein stetig sinkendes Frachtaufk­ommen. Waren zu seinen besten Zeiten noch 8,53 Millionen Tonnen Fracht über den Kanal verschifft worden, waren es 2016 noch 4,6 Millionen Tonnen, berichtet der Leiter des Wasserstra­ßen- und Schifffahr­tsamtes Nürnberg, Guido Zander. »Wir hatten 2015 und 2016 wesentlich stärkere Rückgänge gehabt als vorher. Das lag am niedrigen Wasserstan­d auf Rhein und Donau.« Dieser habe dazu geführt, dass Unternehme­n beim Transport von Schüttgut – Dünger, Streusalz, Eisenerz, Kohle und Getreide – »temporär« auf die Bahn umgestiege­n seien. »Erst seit Herbst 2016 läuft es wieder gut.«

Einen überrasche­nden Boom hat dagegen der Flusskreuz­fahrt-Tourismus dem Kanal beschert. Allein 2016 passierten 1272 schwimmend­e Hotels den Kanal – viermal so viele wie vor 15 Jahren.

Vom Kuchen des Flusskreuz­fahrtTouri­smus bekäme Christoph Würflein gerne etwas ab. Er ist Geschäftsf­ührer des Tourismusv­erbandes Naturpark Altmühl – einer Region, die mit dem Bau des Kanals völlig ihr Gesicht veränderte. »Ich würde mir wünschen, dass die Schiffe auch bei uns mal halten.«

Völlig anders sieht man das beim Bund Naturschut­z. Noch immer ist die Verbitteru­ng über die Niederlage groß. Dem Kanal seien »Höhepunkte mitteleuro­päischer Kulturland­schaften« zum Opfer gefallen. Nach BN-Erhebungen wurden im Altmühltal, Ottmaringe­rtal und im Sulztal »600 Hektar schutzwürd­igste Feuchtgebi­ete irreparabe­l vernichtet«. Dadurch sei eine Vielzahl von Arten dort für immer verschwund­en.

Die Kanalbetre­iber erleben seit 2013 ein sinkendes Frachtaufk­ommen, die Flusskreuz­fahrt aber boomt.

 ?? Foto: dpa/Daniel Karmann ?? Blick auf den Main-Donau-Kanal bei Hilpoltste­in
Foto: dpa/Daniel Karmann Blick auf den Main-Donau-Kanal bei Hilpoltste­in

Newspapers in German

Newspapers from Germany