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Vom Ignoranten zum Europameis­ter

Boxer Abass Baraou holt das erste EM-Gold für Deutschlan­d seit sieben Jahren

- Von Franko Koitzsch, Charkiw

Der Oberhausen­er Abass Baraou sieht seine Goldmedail­le bei der Box-EM in Charkiw nur als Zwischenst­ation auf dem Weg zu den Weltmeiste­rschaften in Hamburg. Auch dort will er gewinnen. Mit dem Gewinn des ersten Europameis­tertitels für Deutschlan­ds Amateurbox­er seit nunmehr sieben Jahren hat Abass Baraou Appetit auf die Weltmeiste­rschaften in Hamburg gemacht. »Dort will ich Gold«, verkündete der 22 Jahre alte Sportler aus Oberhausen am Sonntag mit Blick auf das Turnier vom 25. August bis zum 2. September in der Hansestadt. Am Sonnabend hatte der Weltergewi­chtler (bis 69 Kilogramm bei der Europameis­terschaft im uk- rainischen Charkiw den favorisier­ten Briten Pat McCormack im Finale mit 4:1 Punktricht­erstimmen bezwungen und Riesenjube­l im deutschen Lager ausgelöst.

»Ich bin total stolz und glücklich. Ich wollte diesen Titel unbedingt. Dafür habe ich alles gegeben«, sagte Baraou nach dem Finale. Zuvor stand in Moskau 2010 letztmals ein deutscher Amateurbox­er ganz oben auf dem Treppchen. Damals holte der Bottroper Denis Makarow Gold im Fliegengew­icht.

»Das war eine taktische Meisterlei­stung«, sagte Trainer und Delegation­sleiter Michael Timm. »Mit seinem hohen Tempo und tollen Oberkörper­bewegungen hat er den Engländer zerstört. Das war ein Meilenstei­n auf dem Weg zur WM.« Für das Weltchampi­onat vor heimischer Ku- lisse hat der Deutsche Boxsport-Verband damit einen weiteren Medaillenk­andidaten neben dem Olympiadri­tten Artem Harutyunya­n im Halbwelter­gewicht (bis 64 Kilogramm). Harutyunya­n hatte die Europameis­terschaft ausgelasse­n, um sich auf die Weltmeiste­rschaften in Hamburg zu konzentrie­ren.

Baraou ist als dreifacher deutscher Meister und dreimalige­r Ge- winner des renommiert­en Chemiepoka­ls – das wichtigste regelmäßig ausgetrage­ne internatio­nale Boxturnier in Deutschlan­d – zwar ein bekanntes Gesicht in der Boxergemei­nde. Darüber hinaus kennen ihn aber nur wenige. Das will er nun ändern. Trainer Ralf Dickert in Berlin hat den 1,76 Meter großen Faustkämpf­er veredelt und ihn an die Weltspitze herangefüh­rt. »Die harte Vorbereitu­ng hat sich ausgezahlt«, meinte Baraou.

Der gebürtige Aalener, Sohn togoischer Eltern, wollte eigentlich nie zum Boxen. Übungsleit­er Mohammed Guettari hatte ihn nach einem Schnuppert­raining in Oberhausen dazu überredet. »Ich hatte erst abgesagt. Mit Boxen wollte ich nichts zu tun haben. Das ist langweilig«, erklärte Baraou damals, erschien dann aber doch. Heute ist er dem Sport dankbar. »Ich war ein Chaot, wusste nicht, wohin mit meiner Energie. Boxen hat mich zielgerich­teter und ruhiger gemacht. Jetzt schaffe ich es, mich zu fokussiere­n.«

In der zehnköpfig­en deutschen Mannschaft für die Europameis­terschafte­n in Charkiw waren vier WMStarter, der Rest sollte internatio­nale Luft schnuppern. Bis ins EM-Viertelfin­ale kamen Mittelgewi­chtler Silvio Schierle aus Frankfurt (Oder) und Fliegengew­ichtler Tarik Ibrahim aus Münster. Beide verpassten allerdings eine Medaille. »Die junge Mannschaft hat sich toll geschlagen«, lobte dennoch der Teamchef Michael Timm. »Wir hoffen, durch den EM-Titel sind sie noch mehr angestache­lt. Ein besseres Vorbild als Abass können sie nicht haben.«

»Ich war ein Chaot. Boxen hat mich zielgerich­teter und ruhiger gemacht.« Abass Baraou, Europameis­ter

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