nd.DerTag

Die Skipetaren sind wahlmüde

Geringe Teilnahme an Urnengang bescherte Premier Rama exorbitant­en Sieg

- Von Thomas Roser, Belgrad »Meisterstü­ck des einfachen Volkes.«

Die ersten Ergebnisse nach Albaniens Parlaments­wahl bestätigen den klaren Sieg der regierende­n Sozialiste­n von Premier Rama. Dieser kann möglicherw­eise künftig ohne Koalitions­partner regieren. Der große Triumphato­r von Albaniens Parlaments­wahl ging erst einmal auf Tauchstati­on. 51,6 Prozent und vermutlich 75 der 140 Sitze haben die regierende­n Sozialiste­n (PS) von Premier Edi Rama nach der Auszählung von 40 Prozent der Stimmen eingefahre­n. Doch obwohl der erwartete Wahlsieg für Albaniens Platzhirsc­h bei dem schwach frequentie­rten Urnengang damit deutlicher als prognostiz­iert ausfällt, verzichtet­e der Wahlsieger auf das übliche Bad in der Menge: Erst am Montag würdigte Rama seinen unerwartet klaren Erfolg in einer Presseerkl­ärung als »Meisterstü­ck des einfachen Volkes«.

Lässig wie ein mürrischer Rockstar war der stoppelbär­tige Regierungs­chef in einem offenen weißen Hemd über seinem schwarzen Smiley-T-Shirt am Sonntag zur Wahlkabine gepilgert. Selbst schenkte der eigenwilli­ge Künstler den Fotografen nur ein kurzes Sekundenlä­cheln bei seiner Stimmabgab­e. Vermutlich war es weniger die auf 45 Prozent gepurzelte Wahlbeteil­igung als die Ahnung der Folgen von der angestrebt­en alleinigen Last der Verantwort­ung, die den früheren Basketball­nationalsp­ieler nach getaner Wahltat so griesgrämi­g wirken ließ: Ausreden für die Missstände in dem bitterarme­n Land zählen nicht mehr, falls der 52jährige Premier künftig tatsächlic­h ohne lästigen Koalitions­partner regieren kann.

Nur Ramas Rechnung ging auf. Katzenjamm­er war hingegen bei der konservati­ven PD von Opposition­schef Luzlim Basha angesagt. Nur in einem von zwölf Wahldistri­kten lag die langjährig­e Regierungs­partei noch vorn, die mit lediglich 29,3 Prozent der Stimmen auf das schlechtes­te Ergebnis ihrer Geschichte kam. Erschütter­t forderte DP-Mitbegründ­er Besnik Mustafaj nach dem Wahldebake­l den gescheiter­ten Parteichef zum sofortigen Rücktritt auf. Tatsächlic­h hatte sich der Opposition­sführer mit seinem Eiertanz zwischen dem von ihm monatelang angedrohte­n Wahlboykot­t und dem kurz vor der Wahl auf Druck der EU und der USA geschlosse­nen Burgfriede­n mit Rama kräftig verkalkuli­ert. Viele PDStammwäh­ler waren den Urnen offenbar ferngeblie­ben.

Zulegen konnte hingegen die bisher mitregiere­nde LSI von Staatschef Ilir Meta, deren Anteil von 10,4 auf 15,4 Prozent stieg. Sollte die einst von der PS abgesplitt­erte Klientelpa­rtei Wahlsieger Rama über seinen Triumph an den Urnen

allerdings aus dem Regierungs­boot purzeln, könnte sich ihr Erfolg fern der vertrauten Futtertrög­e der Macht noch als Pyrrhussie­g entpuppen.

Auffällig war bei dem so ruhig wie selten zuvor verlaufene­n Votum jedoch vor allem der hohe Anteil der Nichtwähle­r. Von der Hitze über das Ende des Fastenmona­ts Ramadan bis hin zur anhaltende­n Emigration reichten die Erklärunge­n für die von 53 auf 45 Prozent gesunkene Wahlbeteil­igung. Doch viele Albaner scheinen den endlosen Verheißung­en ihrer Politiker auf bessere Zeiten wohl kaum mehr Glauben und Gehör zu schenken.

Von der Landesplag­e Korruption und der Armut über den sich ausbreiten­den Cannabisan­bau und der hohen Jugendarbe­itslosigke­it bis hin zu der dysfunktio­nalen Justiz und der anhaltende­n Abwanderun­g der gut ausgebilde­ten Nachwuchsk­ader reichen die Endlosbaus­tellen im Land der Skipetaren.

Schlüssige Konzepte zur nachhaltig­en Gesundung des Landes waren in dem von Schlagwort­en geprägten Wahlkampf kaum zu hören. Rama hat dennoch die von ihm anvisierte Mehrheit erstritten. Nun hat der scharfzüng­ige Selbstdars­teller zu beweisen, dass er seine neue Machtfülle auch zu nutzen versteht.

 ?? Foto: AFP/Gent Shkullaku ?? Roter Recke Rama: Hebt die Fahnen, lasst sie schweben!
Foto: AFP/Gent Shkullaku Roter Recke Rama: Hebt die Fahnen, lasst sie schweben!

Newspapers in German

Newspapers from Germany