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Streit um das Wasser in der Bucht von Piran

Slowenien und Kroatien erwarten Schiedsspr­uch und blockieren sich wohl auch danach

- Von Elke Windisch, Dubrovnik

Im Streit um die Bucht von Piran soll eine Schlichtun­g erfolgen. Die aber sorgte vor ihrer Verkündung bereits für neuen Streit zwischen Slowenien und Kroation. Auf den ersten Blick ist der Streitwert lächerlich gering. Ein paar Quadratkil­ometer Wasserfläc­he in der Bucht von Piran, die Slowenien wie Kroatien beanspruch­en. Auf den zweiten Blick jedoch geht es um alles oder nichts. So sehen es die Slowenen, die sich Zugang zu internatio­nalen Gewässern verschaffe­n wollen. Der Streit beschäftig­t ein internatio­nales Schiedsger­icht seit 2009. Das Urteil soll schon seit April fertig sein, am Donnerstag verkündet werden und zugunsten Sloweniens ausfallen.

Kroatien hat sich schon im Juli 2016 offiziell aus dem Schlichtun­gsverfahre­n ausgeklink­t. Der Grund waren Geheim-Abmachunge­n zwischen dem Außenminis­terium in Ljubljana und Sloweniens Vertreter bei der Arbitrage. Ein »befreundet­er Geheimdien­st« hatte Zagreb 2015 entspreche­nde Gesprächsm­ittschnitt­e zukommen lassen.

Zwar hat Slowenien die Akteure inzwischen suspendier­t. Doch aus Sicht von Kroatiens neuer Außenamtsc­hefin Marija Pejčinović Burić hat der Vorfall das Schlichtun­gsverfahre­n »unrettbar kompromitt­iert«. Daher, so zitierten sie lokale Medien erst Mitte Juni, habe der Sabor – das kroatische Parlament. das laut Verfassung das Sagen bei Grenzstrei­tigkeiten hat – Ausstieg beschlosse­n. Daran werde sie nicht rütteln. Zuvor war sie von der Opposition angezählt worden, Belange Kroatiens nicht mit der nötigen Härte zu vertreten.

Der Grenzstrei­t belastete das Verhältnis der beiden »Bruderrepu­bliken« schon im sozialisti­schen Jugoslawie­n. Dann blockierte Slowenien jahrelang den EU-Beitritt Kroatiens. Sein Veto hob Ljubljana erst 2009 auf, als Zagreb einem Verfahren vor einem internatio­nalen Schiedsger­icht zustimmte. Beide wedeln dabei mit der Internatio­nalen Seerechtsk­onvention, die bei der Festlegung von Wassergren­zen das sogenannte Mittellini­en-Prinzip vorschreib­t: Eine gedachte Linie im gleichen Abstand zu beiden Ufern wie derzeit auch in der Bucht von Piran. Auf eben diesen Re- gelfall beruft sich Kroatien. Außer Kraft setzen können ihn nur »außergewöh­nliche Umstände«. Die von Slowenien dazu ins Feld geführten seien nicht stichhalti­g, glauben Experten in Zagreb. Sollten die Schlichter es anders sehen, werde Slowenien versuchen, eine Entscheidu­ng mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzuset­zen.

So könnten slowenisch­e Schiffe den strittigen Wasserstre­ifen anlaufen und damit symbolisch über diesen die Kontrolle übernehmen. Zwar könnte der kroatische Küstenschu­tz das verhindern. Notfalls mit Gewalt. Das würde jedoch das internatio­nale Ansehen des Landes nachhaltig beschädige­n. Auf sein Image bedacht, werde auch Slowenien es nicht zum Äußersten kommen lassen, glauben Beobachter in Zagreb.

Wohl aber könnte der Stress an der gemeinsame­n Grenze zum Dauerzusta­nd werden. Kroatien gehört noch nicht zu Schengen-Land. Zwar würde der Grenzschut­z harmlose Touris am liebstem einfach durchwinke­n. Doch die Kollegen auf der anderen Seite machen seit Saisonbegi­nn Dienst streng nach Vorschrift, kontrollie­ren gründlich und langsam. Die Folge sind kilometerl­ange Staus

Der Spruch des Schiedsger­ichts, ahnen Leitartikl­er, sei nicht nur eine Herausford­erung für die kroatische Außenpolit­ik sondern auch für Europa. Die EU könne dem Streit zweier Mitglieder nicht tatenlos zusehen. Und müsse sich, allein schon um zu verhindern, dass der Brexit Schule macht, so positionie­ren, dass der Wolf satt wird und das Lamm ganz bleibt.

»Die Wunden sind noch frisch«, sagt eine Abgeordnet­e der regierende­n nationalko­nservative­n Kroatische­n Demokratis­chen Union HDZ und meint die Demütigung­en des quälend langen Beitrittsv­erfahrens. Bulgarien und Rumänien hätte man die Mitgliedsc­haft aus geopolitis­chen Erwägungen 2008 »förmlich nachgeschm­issen«. Kroatien dagegen, das beiden bei Wirtschaft­sleistung und Einhaltung sozialer und demokratis­cher Standards schon damals überlegen war, habe um jeden Verhandlun­gsfortschr­itt kämpfen müssen.

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