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Theresa Mays nordirisch­e Lieblinge

Tories bilden Minderheit­sregierung

- Von Ian King, London

Sie kam, ließ wählen und siegte nicht. Allerdings hat Theresa May die vorgezogen­e Wahl vom 8. Juni auch nicht verloren. Mit 318 Unterhausm­andaten verfügen ihre Konservati­ven über 56 Sitze mehr als Jeremy Corbyns Labour Party. Zwar haben die Tories 13 Mandate eingebüßt und damit ihre absolute Mehrheit, als stärkste Partei bilden sie nun dennoch eine Regierung, wie am Montag in London bekannt gegeben wurde. Dafür ist die angeschlag­ene Premiermin­isterin auf einen Deal mit der nordirisch-protestant­ischen Democratic Unionist Party (DUP) angewiesen. Die Verhandlun­gen darüber hatten sich über mehr als zwei Wochen hingezogen.

Folgenden Pakt hat May mit DUP-Chefin Arlene Foster nun ausgehande­lt: Finanzmini­ster Philip Hammond macht für die nächsten zwei Jahre eine Milliarde Pfund an zusätzlich­en Subvention­en für die Provinz Nordirland locker. Es wird keine formale Koalition oder DUP-Minister geben. Vielmehr werden die zehn nordirisch­en DUP-Abgeordnet­en May im Gegenzug für die Finanzspri­tze bei den Brexit-Gesetzen, in der Haushalts-, Wirtschaft­s- und Sicherheit­spolitik sowie bei allen Vertrauens­abstimmung­en unterstütz­en. In allen anderen Fragen will die DUP von »Fall zu Fall« entscheide­n. Damit ist die Premiermin­isterin für einige Monate aus dem Schneider, ihre Regierungs­erklärung dürfte das Unterhaus knapp passieren.

Neben den angebotene­n Subvention­en für nordirisch­en Straßenbau oder schnelle Breitbandv­ersorgung verzichten die Tories auch auf Pläne, die Heizkosten­zuschüsse für Rentner zu streichen – das hatte sich bei den Wählern ohnehin als Eigentor erwiesen.

Die Regierungs­bildung in London könnte Auswirkung­en auf die stockende Regierungs­bildung in Belfast haben. Nordirland hat seit Januar keine Regionalre­gierung. Arlene Foster war als dortige Erste Ministerin in ein um Millionen überteuert­es Umweltschu­tzprojekt verwickelt und die katholisch­e Sinn Fein hatte ihr daraufhin das Vertrauen entzogen. Seit den Neuwahlen im März kommt eine Regierung nicht zustande. In Nordirland – wo dreißig Jahre lang de facto ein Bürgerkrie­g tobte – schreibt das Karfreitag­sabkommen von 1998 eine gemeinsame Regierung von Vertretern sowohl der Protestant­en als auch der Katholiken vor. Bisher konnte Theresa May die Rolle einer ehrlichen Vermittler­in in Nordirland­fragen für sich beanspruch­en. Nun aber hat sie sich durch den Pakt mit der DUP an die protestant­ische Seite gebunden. Schon vor zwei Wochen riet der konservati­ve ehemalige Premier John Major seiner Nachfolger­in, lieber auf den DUP-Deal zu verzichten, als ein Wiederauff­lammen des nordirisch­en Konflikts zu riskieren.

Der Appetit der DUP-Königsmach­er könnte nach dem jetzigen Abkommen weiter wachsen. Denn dieses gilt nur für zwei Jahre, dann kann Foster um mehr bitten. Die SNP-Regierung in Edinburgh und der walisische Labour-Premier Carwyn Jones haben bereits Warnungen wegen einer Benachteil­igung ihrer Landesteil­e ausgesproc­hen. Carwyn sagte, May habe den Nordiren ein »Schmiergel­d« gezahlt, um im Amt bleiben zu können.

Die DUP lehnt Schwangers­chaftsabbr­üche und die HomoEhe strikt ab. Dies wirft kein gutes Licht auf May. Vor Jahren hießen die Tories im Volksmund »die garstige Partei«. Durch ihr Klammern an die Macht mithilfe zwielichti­ger Reaktionär­e riskiere May, so Tory-Routinier Chris Patten, dieses Image der »garstigen Partei« wiederzube­leben.

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