Maschine ersetzt Mensch
Vor 50 Jahren konnten Bankkunden erstmals Geld aus einem Automaten ziehen
Am 27. Juni 1967 nahm der erste Geldautomat den Betrieb auf. Längst sind diese die Maschinen allgemein akzeptiert. Und den Banken erlaubten sie neue Geschäftsmodelle. Die 1960er Jahre brachten bewegte Zeiten, auch für die bundesdeutschen Banken. Sie konnten neue Kundenschichten auch dank einer technischen Neuerung umwerben: dem Geldautomaten.
Zuvor gab es noch den Lohn im Betrieb bar auf die Hand. Werkmeister verteilten nach der Freitagsschicht Lohntüten aus braunem Papier an ihre Arbeiter. Das konnte den Banken nicht gefallen, zogen sie doch keinerlei Nutzen daraus. So schufen sie das Girokonto für Jedermann. Dieses sei praktisch und auch kostenlos, warben sie landauf, landab.
Mit der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung sei ein »entscheidender Schritt zur geld- und kreditwirtschaftlichen Integration der Arbeitnehmerhaushalte« gemacht worden, schreibt die Commerzbank in ihrer Hausgeschichte. Endlich konnte man gute Geschäfte auch mit »kleinen« Leuten machen. Die Zahl der Commerzbank-Kunden stieg in wenigen Jahren von 0,5 auf 2 Millionen an.
Neue Filialen von Sparkassen und Banken schossen vielerorts wie Pilze aus dem Boden. Auch wenn das Girokonto zunächst kostenlos angeboten wurde, eröffnete die »Zahlungsverkehrsschiene« lukrative Geschäftsbereiche: EC-Karte, Konsumkredit, Sparbrief zur preiswerten Refinanzierung der Geschäfte – noch war das Geld von der Zentralbank für die Kreditwirtschaft kostspielig.
Als dann die westdeutschen Verbraucher stolze Besitzer eines Girokontos waren, außerdem kein Gehalt mehr ohne ein solches zu bekommen und keine Miete mehr zu bezahlen war, drehte die Geldindustrie an der Gebührenschraube. Im Laufe der Zeit wurde das Girokonto für die meisten Kunden teuer. Vor allem für sogenannte Extraleistungen kassierten die Banken. Gleichzeitig versuchte die Geldindustrie, ihre Kosten zu drü- cken, indem menschliche Arbeit durch Maschinen ersetzt wurde. Eine Hauptrolle spielt dabei der Geldautomat – ihn gibt es seit 50 Jahren.
Als Erfinder gilt John ShepherdBarron. Der gebürtige Schotte hatte vergessen, rechtzeitig Bargeld von der Bank zu holen, so die Legende, die er dem Fernsehsender BBC erzählte. Der Angestellte in einer Firma, die Banknoten druckte, kam in seiner Badewanne ins Träumen: Warum gibt es eigentlich Automaten, aus denen man Schokoriegel oder Kaugummis ziehen kann, aber kein Gerät, das Bargeld herausgibt? Shepherd-Barron erdachte einen Automaten, der Schecks prüfen konnte und im Gegenzug Bargeld ausspuckte. Er stellte seine Idee der britischen Großbank Barclays vor und entwickelte einige Geldausgabeautomaten. Den ersten nahm Barclays am 27. Juni 1967 in einer Filiale im Norden Londons in Betrieb.
In der Bundesrepublik begann der Durchmarsch der Automaten erst Mitte der 70er Jahre. Zunächst wurden Selbstbedienungs-Kontoauszugsdrucker aufgebaut, einige Jahre später folgten dann die Geldausgabeautomaten. In der DDR wurden die ersten Geldautomaten vom VEB Wägetechnik Rapido in Radebeul um 1984 ausgeliefert. Längst sind diese breit akzeptiert: Vor einem Jahrzehnt erklärten über 70 Prozent der Bundesbürger in einer Befragung den Geldautomaten zur beliebtesten technischen Alltagsneuerung – weit vor Mikrowelle oder Handy.
Heute sind bundesweit an die 60 000 Geldautomaten im Einsatz, teilt der Bundesverband deutscher Banken (BdB). Technik, die kostet. Je nach Funktion müssen Banken für einen modernen Geldautomaten bis zu 40 000 Euro berappen. Wartung, Reparatur und Service kosten 20 000 Euro – im Jahr. Den größten Posten davon macht das Befüllen mit Bargeld durch Sicherheitsdienste aus. Nach durchschnittlich etwa fünf Jahren wird die alte Maschine durch eine neue ersetzt.
Viele Banken holen sich die Kosten nicht nur beim Geldabheben wieder herein. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens EY plant jede vierte in diesem Jahr eine Erhöhung der Gebühren beim Girokonto, jede Fünfte will mehr für Überweisungen nehmen. Der Bundesgerichtshof wird Ende Juli entscheiden, ob Banken für alles und jedes extra Gebühren erheben dürfen, trotz bereits üppiger Grundgebühren für ihre Kunden.