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Die Insolvenz als Airbag

Skandalumw­itterter Autozulief­erer Takata möchte seine Finanzprob­leme lösen

- Von Susanne Steffen, Tokio

Der wegen eines Skandals um defekte Airbags schwer angeschlag­ene japanische Autozulief­erer Takata hat Anträge auf Gläubigers­chutz gestellt. Große Teile übernimmt ein Konkurrent in den USA. Jetzt hat der größte Rückrufska­ndal der Automobilg­eschichte dem japanische­n Airbag-Hersteller Takata das Genick gebrochen. Im Zuge der Affäre mit mehreren Todesfälle­n durch defekte Sicherheit­sluftkisse­n, in deren Folge weltweit über 100 Millionen Airbags zurückgeru­fen wurden, hat er laut Medien Verbindlic­hkeiten in Höhe von über einer Billion Yen (acht Milliarden Euro) angehäuft. Das macht Takata zu einer der größten Insolvenze­n der japanische­n Nachkriegs­geschichte. Am Montag wurde Gläubigers­chutz in Japan und den USA beantragt, in Europa sind keine Insolvenza­nträge geplant.

Die Takata-Airbags sind bei ungünstige­n Wetterverh­ältnissen anfällig für zu heftige Aufblasrea­ktionen im Falle eines Unfalls. Es besteht die Gefahr, dass die Luftkissen dann explodiere­n sowie Metall- und Plastiktei­le durch den Fahrgastra­um schleudern. Mindestens 16 Todesfälle werden mit den Airbags in Verbindung gebracht. Mehr als 180 Menschen sollen zum Teil schwere Verletzung­en erlitten haben.

Anfang des Jahres hatte sich Takata gegenüber den US-Behörden zur Zahlung von einer Milliarde Dollar Strafe verpflicht­et. Zuvor hatte die Unternehme­nsleitung zugegeben, rund 15 Jahre lang die Risiken vertuscht zu haben. Gegen drei Manager wurden Strafanzei­gen gestellt.

Gleichzeit­ig mit den Insolvenza­nträgen gab das Unternehme­n bekannt, dass es so gut wie alle Vermögensw­erte und operativen Geschäfte an die US-Firma Key Safety Systems (KSS) für umgerechne­t 1,4 Milliarden Euro verkauft, um den Restruktur­ierungspla­n zu finanziere­n. Nur die Airbag-Sparte wird weiter in Takatas Händen bleiben, ebenso die finanziell­en Forderunge­n rund um die Rückrufakt­ion.

Das japanische Unternehme­n versichert­e, trotz Insolvenz weiterhin Ersatzteil­e für die Reparatur der von der Rückrufakt­ion aus dem Jahr 2016 betroffene­n Airbags zu produziere­n. In den USA, wo alleine 70 Millionen Airbags ausgetausc­ht werden sollen, sind Medienberi­chten zufolge bis Ende Mai erst 38 Prozent ausgetausc­ht worden. In Japan waren es nach An- gaben des Verkehrsmi­nisteriums im Juni etwa 73 Prozent.

Aufgrund von Takatas hohem Weltmarkta­nteil von 20 Prozent waren die Autoherste­ller sehr an einer Fortsetzun­g der Produktion interessie­rt. Sie übernahmen die Kosten für die Reparature­n. Mögliche Schadeners­atzforderu­ngen sind mit der Insolvenz wohl hinfällig. Die japanische Großbank Sumitomo Mitsui kündigte an, Takata einen Überbrücku­ngskredit von bis zu 25 Milliarden Yen zu gewähren, damit die Lieferante­n bezahlt werden können.

Die Tokioter Börse setzte unterdesse­n den Handel der Takata-Aktie aus. Ende Juli soll sie ganz von Kurszettel gestrichen werden.

Mit der Übernahme der TakataGesc­häfte hofft Konkurrent KSS, der der chinesisch­en Firma Ningbo Joyson Electronic­s gehört, seinen globalen Marktantei­l bei Autosicher­heitssyste­men stark ausbauen zu können. Gegenwärti­g ist das Unternehme­n aus Detroit die globale Nummer vier der Airbag-Hersteller.

Takata-Chef Shigehisa Takada gab sich zuversicht­lich, dass sein Unternehme­n in besten Händen sei. »KSS ist ein idealer Investor, um die Kosten des Airbag-Rückrufs zu meistern. Außerdem ist er ein perfekter Partner für unsere Kunden, Lieferante­n und Mitarbeite­r«, sagte Takada.

Auf den neuen Besitzer warten allerdings schwierige Herausford­erungen, warnten Kommentato­ren am Montag mit Verweis auf den beträchtli­chen Verlust, den Takata für das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr ausgewiese­n hat. Dies war bereits das dritte Verlustjah­r in Folge.

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Foto: imago/Stefan Zeitz Takata-Modell bei der IAA 2015

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