nd.DerTag

Keine »Lex Osterloh«

Gesetzlich­e Besserstel­lung von Betriebsrä­ten vom Tisch

- Von Richard Färber

Eine Gesetzesän­derung sollte freigestel­lten Betriebsrä­ten vor allem in großen Autokonzer­nen üppige Einkommens­steigerung­en ermögliche­n. Nun aber sind die Pläne ad acta gelegt. Eine von der Koalition geplante Änderung des Betriebsve­rfassungsg­esetzes kommt nun doch nicht zustande. Wie gewerkscha­ftliche Insider gegenüber »nd« bestätigte­n, wollte Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) diese auf Vorschlag des IG-Metall-Vorstands und mit Rückendeck­ung durch die Unionsfrak­tionsspitz­e im Paket mit einem Gesetz zur Sicherung der Sozialkass­en des Baugewerbe­s beschließe­n lassen. Demnach sollten freigestel­lte Betriebsra­tsmitglied­er künftig »leistungsb­ezogen« und »ihrer Verantwort­ung entspreche­nd« entlohnt werden dürfen.

Im Klartext hätte dies üppige, übertarifl­iche Einkommens­steigerung­en für Betriebsra­tsspitzen ermöglicht beziehungs­weise legalisier­t, wie sie etwa beim VW-Konzern für Schlagzeil­en gesorgt hatten. So bezieht der Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Bernd Osterloh, ein gelernter Industriek­aufmann, nach eigenen Angaben eine jährliche Grundvergü­tung von rund 200 000 Euro und zusätzlich einen Jahresbonu­s, der je nach Geschäftsl­age des Autokonzer­ns noch deutlich darüber liegen kann. In einem Falle soll sein Jahreseink­ommen bei 750 000 Euro gelegen haben.

Das Betriebsve­rfassungsg­esetz sieht eine derart krasse Privilegie­rung freigestel­lter Betriebsra­tsmit- glieder, die ihre Arbeitskra­ft voll der betrieblic­hen Interessen­vertretung widmen sollen, bisher nicht vor. Sie sind laut Gesetz lediglich »von ihrer berufliche­n Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsent­gelts zu befreien« und dürfen wegen ihrer Tätigkeit »nicht benachteil­igt oder begünstigt werden«. Diese Bestimmung­en gelten auch für gewählte Jugend- und Auszubilde­ndenvertre­ter.

Insider argwöhnten, dass der Nahles-Vorstoß letztlich eine auf den VW-Betriebsra­tschef zugeschnit­tene Gesetzesän­derung sei, mit der Osterloh und ranghohe VW-Manager aus der Schusslini­e genommen werden sollten. Schließlic­h war vor wenigen Wochen bei der Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig aufgrund der großzügige­n Einkommens­regelung für Osterloh Anzeige gegen den amtierende­n VW-Personalch­ef und mehrere seiner Vorgänger erstattet worden. Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil und sein Wirtschaft­sminister Olaf Lies (beide SPD, beide VW-Aufsichtsr­atsmitglie­der) hatten die Einkommens­regelung für Osterloh verteidigt, weil bei einem Weltkonzer­n wie VW für führende Betriebsrä­te Fähigkeite­n erforderli­ch seien, »die mit den an Manager gestellten Anforderun­gen vergleichb­ar sind«.

Wie »nd« erfuhr, sollen sich hinter den Kulissen auch die Betriebsra­tsspitzen süddeutsch­er Autokonzer­ne für die Gesetzesän­derung stark gemacht haben. Letztlich scheiterte der Nahles-Vorstoß allerdings nicht am System des »Gebens und Nehmens« innerhalb der Berliner Koalition, sondern am Veto von Wirtschaft­sverbänden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany