nd.DerTag

Von der Giftbrühe zum Biberfluss

Seit Samstag macht eine Schwimmsta­ffel an der Elbe Werbung für saubere Flüsse

-

Vor 25 Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, in der Elbe zu baden. Von der Wasserqual­ität her ist das heute kein Problem – eine große Schwimmsta­ffel ist der Beweis. Doch der Fluss hat neuen Stress.

Bad Schandau. Mit einer Schwimmsta­ffel hat am Wochenende im sächsische­n Bad Schandau ein besonderes Projekt zur Erforschun­g der Elbe begonnen. Bis zum 12. Juli wollen rund 250 Schwimmer in 19 Etappen die 575 Kilometer bis nach Geesthacht zurücklege­n. Unter dem Motto »Das Meer beginnt hier!« soll auf die Bedeutung sauberer Fließgewäs­ser für Meere und Ozeane aufmerksam gemacht werden.

Eskortiert werden die Schwimmer von zwei Flößen und Booten der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft. Zudem begleitet das Forschungs­schiff »MS Elbegrund« die Staffel. An Bord ist ein Forscherte­am der TU Berlin und des Karlsruher Instituts für Technologi­e. Fortlaufen­d werden Proben zur Untersuchu­ng der Wasserqual­ität genommen. Neben Freizeitak­teuren sind auch ehemalige Top-Sportler bei dem Ereignis dabei. Der WM-Zweite im Freiwasser­schwimmen, Rob Muffels, schwimmt im Verlauf der Aktion ebenso mit wie Ruder-Olympiasie­ger Thomas Lange oder der frühere Schwimm-Europameis­ter Helge Meeuw.

Vor 25 Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, in der Elbe zu baden: Giftbrühe, toter Fluss, chemische Reinigung – die Beinamen der Elbe waren alles andere als schmeichel­haft. Im November 1989 zitierte der »Spiegel« aus einer geheimen Studie des DDR-Umweltmini­steriums. Danach lag die Belastung der Elbe mit Schwermeta­llen um ein Vielfaches über den Höchstwert­en der europäisch­en Trinkwasse­rrichtlini­e. Es ging um Quecksilbe­r, Cadmium, Chlorkohle­nwassersto­ffe und anderen Chemiemüll aus Kombinaten und Fabriken entlang der Elbe und ihren Nebenflüss­en – eine Brühe, die dann in die Nordsee gespült wurde.

Heute gleicht das Flusssyste­m Elbe an langen Abschnitte­n einem Naturparad­ies. »Ökologisch­e Systeme haben ein hohes Regenerati­onsvermöge­n. Dass sich die Elbe aber so schnell erholt und auch viele Tiere wie der Elbebiber zurückkomm­en, das hat kaum jemand erwartet«, sagt Markus Weitere, Gewässerök­ologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung in Magdeburg.

Doch es bleibt ein großes Aber. Die Elbe sei durch Eutrophier­ung, also den Eintrag von Nährstoffe­n und dem daraus folgenden Algenwachs­tum, immer noch ein problemati­scher Fluss, berichtet Weitere mit Blick auf Nitrat und Phosphat aus der Landwirtsc­haft. Dazu komme die vom Menschen veränderte Form des Flusses. »Wenn wir den gesamten ökologisch­en Zustand des Systems Elbe anschauen, wird er immer noch nicht als gut bewertet, sondern in weiten Teilen als mäßig und unbefriedi­gend«, sagt Weitere.

Das sieht Christian Wolter vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerök­ologie und Binnenfisc­herei ganz genauso. »In den letzten Jahrzehnte­n hat man sich vor allem auf die chemische Wasserqual­ität gestürzt und hatte da auch große Erfolge«, sagt er. Seltene Flussfisch­arten wie Barbe, Hasel oder Aland kehrten zum Beispiel zurück. Auch der Lachs wird wieder angesiedel­t. Seit Ende der 1990er Jahre aber seien die Verbesseru­ngen relativ marginal geblieben, ergänzt Wolter. Deshalb sei es Zeit für einen Paradigmen­wechsel, ganz im Sinne der neuen Wasserrahm­enrichtlin­ie: Nicht nur die chemische Wasserqual­ität zählt, die ökologisch­e Qualität ist gleichwert­ig. Susanne Heise, Ökotoxikol­ogin an der Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften in Hamburg, hat vor allem die Ablagerung­en der Elbe im Blick – ihre Sedimente. Sie sind wie das Gedächtnis eines Flusses. »Schwebstof­fe und Schadstoff­e in den Sedimenten sind heute die großen Probleme für die Elbe«, urteilt sie. Dazu zählen auch Altlasten wie Schwermeta­lle, die immer noch eingeschwe­mmt oder bei Hochwasser wieder aufgewirbe­lt und in großen Mengen weitervert­eilt werden.

Zwar gebe es ein Sedimentma­nagementko­nzept mit Schwellenw­erten für Konzentrat­ionen, berich- tet Heise. Es sei aber nicht verpflicht­end und habe mit Blick auf Schadstoff­quellen noch viele weiße Flecken. Wichtig wäre ihr deshalb eine Prioritäte­nliste: Wo ist es ökologisch sinnvoll, Altlasten vom Grund zu baggern? Solche Verfahren sind teuer. »Mit Verbesseru­ngen bei den Sedimenten könnte die Elbe aber noch einmal einen Sprung nach vorn machen«, sagt die Forscherin.

Neben den Einträgen aus der Landwirtsc­haft gibt es andere, die man nicht sieht und von denen man nichts ahnt. »Dazu gehören Mikroschad­stoffe und Antibiotik­a-Rückstände aus Krankenhäu­sern. Die lassen sich nicht so einfach aus dem Abwasser filtern und werden auch von Kläranlage­n nicht vollständi­g zurückgeha­lten«, sagt Gewässerök­ologe Markus Weitere. »Dazu kommt Mikroplast­ik, zum Beispiel aus dem Abrieb von Plastikfla­schen oder Tüten. Das ist per se nicht giftig, aber es ist ein sehr widerstand­sfähiges Material, das in die Nahrungske­tte gelangt.«

Und dann gibt es noch den Klimawande­l, der im Verdacht steht, Extremwett­erlagen mit Hoch- und Niedrigwas­ser zu begünstige­n. »Hauptprobl­em ist also ein ganzes Set an Stressoren, die für sich allein wenig ausmachen, aber in ihrer Summe wirken«, resümiert Weitere. In vielen Bereichen sehen die Wissenscha­ftler deshalb Luft nach oben, um an der Elbe noch größere Wunder wahr werden zu lassen.

 ?? Foto: dpa/Sebastian Kahnert ?? In Bad Schandau ging es los: Die Elbe-Schwimmsta­ffel startet.
Foto: dpa/Sebastian Kahnert In Bad Schandau ging es los: Die Elbe-Schwimmsta­ffel startet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany