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Für das Welterbe zu gewöhnlich

Sachsen-Anhalt: Naumburg hat schlechte Karten, den UNESCO-Titel doch noch zu bekommen

- Von Hendrik Lasch, Naumburg

Die Region um Naumburg will auf die Welterbeli­ste der UNESCO. Doch auch eine gründliche Überarbeit­ung des 2015 im ersten Anlauf gescheiter­ten Antrags scheint keinen Erfolg zu bringen. Nicht nur Menschen, sondern auch Landschaft­en wollen gern etwas Besonderes sein. Die Region um Naumburg im südlichen Sachsen-Anhalt hält sich für ein europäisch­es Musterbeis­piel dafür, wie im Hochmittel­alter Regionen von neuen Siedlern in Besitz genommen, Städte und Dörfer angelegt und prachtvoll­e Burgen und Dome gebaut wurden. Auf dieses Gefühl der Einzigarti­gkeit gründet sich eine Bewerbung um den Titel als UNESCO-Welterbe, über die in wenigen Tagen im polnischen Krakow entschiede­n wird – die aber aller Voraussich­t nach scheitert.

Das, was in der Bewerbung als Besonderhe­it dargestell­t werde, sei wohl eher »der Normalfall in Europa«. Dieses vernichten­de Urteil steht in einem Gutachten der Denkmalorg­anisation ICOMOS, die die UNESCO in Sachen Welterbe berät – und mit der auch der Fördervere­in »Welterbe an Saale und Unstrut« seit 2015 eng kooperiert hat, sagt dessen Vorsitzend­er Curd Becker. Damals hatte das Welterbeko­mitee bei einer Sitzung in Bonn bereits einmal über den Antrag beraten und befunden, dass er überarbeit­et werden müsse. »Wir haben alles befolgt, was uns geraten wurde«, sagt Becker. Dass man dennoch erneut die Nichtverle­ihung des Titels empfiehlt, »hat uns mehr als überrascht«, fügt der Naumburger Ex-Oberbürger­meister bitter hinzu.

Die Region will anerkannt werden als ein Gebiet, in dem sich die »Kulturbege­gnung« zwischen westeuropä­ischen Siedlern und slawischen Bewohnern studieren lässt. Es sei ein »Musterbeis­piel«, wie eine Landschaft im 11. bis 13. Jahrhunder­t »quasi von Null an geprägt« wurde. Zunächst wollte man das an elf Bauwerken und Orten illustrier­en. Nach dem ersten Misserfolg wurde die Zahl auf drei reduziert: Naumburger Dom, Doppelkape­lle Freyburg und das frühere Kloster Schulpfort­a. Vor den Experten Ex-OB Curd Becker

von ICOMOS finden die Änderungen keine Gnade. Nicht nur vermögen sie einen herausrage­nden und einzigarti­gen Wert nicht zu erkennen – was Hauptvorau­ssetzung für den Titel ist. Besiedlung und kulturelle­n Austausch in Grenzregio­nen wiesen viele Gebiete in Europa »nach ähnlichem Muster auf«, heißt es im Gutachten. Auch sei keines der drei erwähnten Bauwerke ein »Meisterwer­k des schöpferis­chen menschlich­en Genius« – speziell für eine Epoche, die auf der Welterbeli­ste bereits breit vertreten ist. Bissig merken die Experten an, eine Bewerbung sei eine »fein abgestimmt­e Konstrukti­on«, deren Teile man nicht hastig neu kombiniere­n könne.

In Naumburg macht man aus der Enttäuschu­ng keinen Hehl: »Wir haben immerhin 15 Jahre auf den Titel hingearbei­tet«, sagt Becker. Verliehen wird er nun wohl an andere: Zu den 35 Bewerbunge­n, über die in Krakow befunden wird, gehört auch eine von der Schwäbisch­en Alb, wo Höhlen mit eiszeitlic­her Kunst geehrt werden sollen. ICOMOS hat dort die Aufnahme empfohlen, ebenso wie für die Erweiterun­g des bestehende­n Welterbes Bauhaus um mehrere Häuser in Dessau sowie eine frühere Gewerkscha­ftsschule in Bernau.

Derzeit umfasst die Liste des Welterbes 1052 Einträge, davon 41 in Deutschlan­d. Die Naumburger hoffen, dass die 21 Mitglieder im Welterbeko­mitees sich über das Votum von ICOMOS hinwegsetz­en: »Wir bleiben optimistis­ch«, sagt Becker. Ein großes Fest gibt es am Tag der Entscheidu­ng auf jeden Fall: »Egal wie es ausgeht, wir werden feiern.«

»Wir haben alles befolgt, was uns geraten wurde«.

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Foto: dpa/Jan Woitas Eingebette­t in eine alte Kulturland­schaft: Naumburg und sein Dom, der größtentei­ls aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunder­ts stammt.
 ?? Foto: dpa/Sebastian Willnow ?? Stimmungsm­äßig passend zum Naumburger Titeldrama: das Nietzsche-Denkmal in der Domstadt, wo der Philosoph einige Jahre lebte.
Foto: dpa/Sebastian Willnow Stimmungsm­äßig passend zum Naumburger Titeldrama: das Nietzsche-Denkmal in der Domstadt, wo der Philosoph einige Jahre lebte.

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