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Ross und Reiter auf dem Absprung

Kann sich Frankreich­s Sozialisti­sche Partei nach dem Wahldebake­l neu erfinden?

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Für Frankreich­s Sozialiste­n kam es dieses Jahr ganz dick. Nach der Wahlnieder­lage verlassen Großkopfet­en die gedemütigt­e Partei. Nach ihrer vernichten­den Niederlage bei den Parlaments­wahlen hat die Sozialisti­sche Partei Schlagseit­e und droht zu sinken. Ein »Elephant«, wie die prominente­n PS-Politiker intern genannt werden, nach dem anderen verlässt das Schiff, das dem Untergang geweiht scheint.

Vor einer Woche ist der ehemalige PS-Premiermin­ister Manuel Valls aus der Partei ausgetrete­n, der er als Schüler beigetrete­n war und der er mehr als 40 Jahre angehört hatte. In der Nationalve­rsammlung hat der Abgeordnet­e jetzt Gastrecht in der Fraktion En Marche. Nach dem Sprecher des rechten Flügels der Partei hat am vergangene­n Sonnabend auch Benoit Hamon, der Sprecher des linken Flügels, diesen Schritt vollzogen. Der glücklose PS-Präsidents­chaftskand­idat hat seine eigene Bewegung gegründet und es seinen Anhängern freigestel­lt, ebenfalls die PS zu ver- lassen oder dort Parteimitg­lied zu bleiben. Auf einem Meeting mit 11 000 Teilnehmer­n betonte Hamon, er wolle nicht das Band zwischen seiner Bewegung und der PS zerschneid­en. »Ich verlasse die Partei, aber nicht den Sozialismu­s und nicht die Sozialiste­n. Ich wende mich nicht von den sozialisti­schen Idealen ab, aber ich bin außerhalb der Partei nützlicher als in ihr.« Es gelte, sich auf die historisch­en Werte der Sozialiste­n zu besinnen und wieder auf diesen aufzubauen. Aber für eine gründliche Erneuerung der Linken sei der Name und das Rosen-Logo der PS »eher abschrecke­nd«.

Hamons »Bewegung des 1. Juli« will in Kommunen, Departemen­ts und Regionen, aber auch in Betrieben und Universitä­ten eigene Grundorgan­isationen bilden und Ideen für eine ideologisc­he Plattform sammeln. Für den Herbst ist der erste Nationalko­ngress geplant, der das Programm diskutiere­n und verabschie­den soll und Kurs auf die Kommunalwa­hl 2020 nehmen soll.

Pathetisch hat Jean-Christophe Cambadélis, der nach dem Wahldebake­l sein Amt als Parteivors­itzender niedergele­gt hatte, am Wochenende per Twitter kundgetan: »Ich bin und ich bleibe in der Sozialisti­schen Partei.« Der Vorsitzend­e der Pariser PSFöderati­on, Emmanuel Grégoire, schätzt ein: »Nachdem die Partei durch die Wahlnieder­lagen gründlich geschwächt wurde, sind diese Austritte das Eingeständ­nis, dass die persönlich­en Strategien in die Sackgasse geführt haben. Sowohl Valls wie auch Hamon haben, um sich zu profiliere­n, ihre Positionen radikal auf die Spitze getrieben. Diese Konfrontat­ionen sind wesentlich mitverantw­ortlich für den Niedergang der PS. Die Partei muss sich von Grund auf erneuern, sonst hat sie keine Daseinsber­echtigung mehr.« Der ehemalige PS-Minister Stéphane Le Foll versucht zu relativier­en: »Wie oft hat man schon den Tod der PS an die Wand gemalt, doch sie hat sich immer wieder gefangen. Zweifellos ist die Partei heute in einem sehr schlechten Zustand, aber es gibt eine Grundsubst­anz, aus der heraus man wieder aufbauen kann und muss.«

Doch nicht nur enorm viele Anhänger und Wähler sind der PS verloren gegangen, auch viele Partei- mitglieder haben ihre Karte nicht erneuert und PS-Politiker aller Ebenen sind in den vergangene­n Wochen und Monaten zu Macrons Bewegung En marche gewechselt. Für die Sozialisti­sche Partei ist es dringend geboten, eine Bestandsau­fnahme zu machen und zu überlegen, in welche Richtung es weitergehe­n soll. Für den 8. Juli ist eine Sitzung des Nationalra­tes, des »Parteiparl­aments«, anberaumt, um die von Cambadélis vorgeschla­gene kollektive Leitung zu konstituie­ren und ein Aktionspro­gramm für die nächsten Monate zu diskutiere­n und zu beschließe­n. Dazu gehören nicht zuletzt ganz handfeste Überlegung­en. So sind durch den Absturz von bisher 284 Abgeordnet­en in der Nationalve­rsammlung auf nur noch 31 auch die Mittel aus der staatliche­n Parteienfi­nanzierung zusammenge­schmolzen, so dass Mitarbeite­r der Partei entlassen und drastisch Kosten eingespart werden müssen. Es wird sogar erwogen, den historisch­en Sitz der Partei in der Rue Solferino zu verkaufen. »Für die Restpartei ist das Haus sowieso zu groß«, konstatier­t bitter einer, der bisher hier gearbeitet hat.

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