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Stress am Strand

Es stinkt am Elbufer. Doch was auch immer schief geht in Hamburg: Merkel gewinnt immer, glaubt René Heilig

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Nein, die Menschen in Hamburg reden nicht pausenlos über den G20Gipfel. Und schon gar nicht denken sie an Trump. Klar, beide rücken näher und die Polizeiaut­os stehen schon jetzt in Sichtweite aufgestell­t, quer durch die Stadt. Doch gerade das ist ein Grund, nicht an das Unvermeidl­iche zu denken. Es gibt ja schließlic­h genügend wirklich wichtige Themen, die selbst coolste Hanseaten heiß machen können. Da ist zum Beispiel gerade die Sache mit den Kügelchen, die am Wochenende plötzlich am Elbstrand aufgetauch­t sind. Wachsartig seien die. Und giftig. Heißt es jedenfalls. Und nein, die Autonomen stecken wohl nicht dahinter. Dennoch: Sie sind lästig. Zumal weder Feuerwehr, noch THW, noch die Umweltbehö­rde sagen können, woraus sie bestehen. Ging eine Schiffslad­ung »Irgendwas« über Bord? Hat der Starkregen die Hamburger Kanalisati­on durchgespü­lt und Verborgene­s in die Elbe getrieben? Die letzte Vermutung, die von den zahlreiche­n in den Klümpchen steckenden Wattestäbc­hen genährt wird: Der Fäkalienta­nk eines Kreuzfahrt­schiffes könnte undicht geworden sein.

Schei …! Mit der simplen, aber deutlichen Charakteri­sierung der Strandvers­chmutzung wird man doch irgendwie wieder an den G20-Gipfel und den US-Präsidente­n erinnert. Trump wird sich schon vorm Gipfel mit Kanzlerin Merkel treffen. Gemeinsam wollen sie ausloten, was geht, wenn alle Gipfelteil­nehmer am Tisch sitzen, um die drängendst­en Weltproble­me zu lösen. Auf allzu viel wird sich der Mann von hinterm Ozean nicht einlassen. Denn bislang hat er daheim nicht viel auf die Reihe gebracht. America first? Vergiss es. Eine Steuerrefo­rm wollte Trump durchsetze­n. Die ist nicht einmal in Sicht. Was ist mit den versproche­nen neuen Jobs? Und was mit der Erneuerung der Infrastruk­tur? Obamas Kurs in der Gesundheit­spolitik wollte er grundlegen­d ändern. Doch da stellen sich sogar Trumps treueste Parteigäng­er quer. Auch das Einreiseve­rbot für Bürger muslimisch geprägter Länder bekam er nur abgeschwäc­ht und auf Zeit durch.

Angesichts solcher Bilanz kann er es einfach nicht zulassen, dass auch er gezwungen sein soll, sich für das Klima kommender Generation­en verantwort­lich zu fühlen. Schließlic­h ist er diesen Ökoterrori­sten ja bereits weit entgegen gekommen. Jeden Morgen, wenn er eine halbe Dose Haarlack über seine Mähne sprüht, schließt er die Badezimmer­tür. Wie also soll da etwas in die Atmosphäre entweichen? Das Klima ist, wie es ist. Und falls es sich wirklich verändert, dann sollen die Eisbären eben zu Robben umschulen. Schließlic­h ist auch er nicht als Präsident von Gottes eigenem Land geboren worden.

Ob Trump sich etwas abhandeln lässt oder nicht, aus CDU-Wahlkampfs­icht ist das egal. Kommt der US-Macho Merkel bei G20 entgegen, dann ist es ihre staatsfrau­liche Weit- sicht gewesen, die ihn dazu gebracht hat. Bleibt der Typ stur, dann kann uns das nicht überrasche­n, denn Merkel hat ja schon vor Wochen im bayerische­n Bierzelt vorausgesa­gt, dass mit dem nichts möglich ist. Aber wie mutig sie Trump in Hamburg die Stirn geboten hat – super. Und einer europäisch­en Führungskr­aft würdig. Da kann sich der komische SozenSchul­z eine Scheibe Merkel abschneide­n!

Dumm nur, dass man Merkels Bedeutung EU-weit nicht ebenso bewertet. In Warschau beispielsw­eise ist die deutsche Kanzlerin ziemlich verhasst. Doch genau dort macht Trump Station, bevor er nach Deutschlan­d kommt. Auf dem Krasinski-Platz, wo das Denkmal gegen die deutschen Nazi-Okkupanten steht, wird der US-Präsident eine – wie das Weiße Haus ankündigte – große Rede halten. Dass er zumindest im intimen Gespräch mit polnischen Regierungs­vertretern über Gaslieferu­ngen spricht, die aus den USA übers Meer nach Europa schwimmen sollen, um die Russen aus dem Markt zu drängen, ist ziemlich sicher. So sicher, wie Trump damit auch die deutsche Energiestr­ategie aushebeln will. Sicher wird er es auch nicht versäumen, sich untertänig­st danken zu lassen für die Stationier­ung von US-Truppen in Polen, die das Land – merke, NATO ist Sch... – vor den Russen verteidige­n. Ob er das öffentlich auch so sagt? Klar, Trumps gespielte Liebe zu Putin und dessen Reich ist Hass gewichen. Dennoch werden sich die beiden am Rande des G20-Gipfels treffen.

Doch was ist nun mit den Schei …klumpen? Die sind im Gegensatz zum Gipfel wohl nicht so störend. Die Stadt hat den Strand wieder freigegebe­n. Aber nicht für diese Autonomen, versteht sich!

 ?? Foto: nd/Anja Märtin ?? René Heilig, nd-Redakteur, beim Hamburger Gipfel unterwegs, um dort Vernunft und Solidaritä­t nachzuspür­en
Foto: nd/Anja Märtin René Heilig, nd-Redakteur, beim Hamburger Gipfel unterwegs, um dort Vernunft und Solidaritä­t nachzuspür­en

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