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Grabenkämp­fe vor Gericht

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Die Konflikte in der AfD in Sachsen-Anhalt eskalieren weiter. Ein Landtagsab­geordneter zog nun gar gegen die Kandidaten­liste zur Bundestags­wahl vor Gericht – allerdings ohne Erfolg. Der Saal ist zu klein. Vor 20 Zuschauerp­lätzen sollte am Landgerich­t Magdeburg über die Klage verhandelt werden, mit der Volker Olenicak die AfD bei der Bundestags­wahl in einer ihrer Hochburgen in große Schwierigk­eiten zu bringen drohte. Der Landtagsab­geordnete aus Bitterfeld wollte im Eilverfahr­en die Kandidaten­liste seiner Partei für die Bundestags­wahl für nichtig erklären lassen. Bis zum 17. Juli muss diese beim Landeswahl­leiter eingereich­t werden, ansonsten können die Rechtspopu­listen nicht um Zweitstimm­en werben – ausgerechn­et in dem Land, in dem sie bei der Landtagswa­hl 2016 ihren größten Erfolg einfuhren und 24,9 Prozent der Stimmen holten.

Richter Hans-Michael Otto hatte ein Einsehen und zog um in den größten Saal des Gerichts. Er bot genug Plätze für die vielen Abgeordnet­en, Vorstände und Anhänger der beiden Lager, in die die AfD im Land seit ihrem Triumph zerfallen ist und die sich auch im Zuschauerr­aum mit giftigen Spitzen attackiert­en. Immerhin: Die Aversionen wurden nicht so offen zur Schau gestellt wie bei den zwei Versammlun­gen im März und April, auf denen die Bundestags­kandidaten aufgestell­t wurden und die zu einer verbalen Saalschlac­ht eskaliert waren.

Ausgefocht­en wurde diese nicht mit Hieb- oder Stichwaffe­n, sondern mit Auszügen aus Chats in sozialen Netzwerken – Protokolle­n, in denen die Kritiker von Landeschef André Poggenburg ihrem Unmut über dessen autokratis­che Führung Luft machten und über ein innerparte­iliches Klima, das mit einem »Bürgerkrie­g« verglichen wurde. Pünktlich zu der Versammlun­g wurden Auszüge aus der mehr als 300 Seiten umfassende­n Sammlung öffentlich. Poggenburg wetterte gegen »Verschwöre­r« – und schaffte es in der vergiftete­n Atmosphäre, die Liste mit ihm genehmen Kandidaten zu füllen.

Olenicak wehrte sich dagegen zunächst vor dem Schiedsger­icht der Partei, das aber wochenlang nicht entschied. Wegen der bevorstehe­nden Frist zog er nun vor Gericht. Der 51-Jährige gehört zum innerparte­ilichen Flügel um Daniel Roi, der zunächst als zweiter starker Mann neben Poggenburg gegolten hatte und parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer geworden war, dann aber entmachtet wurde und zwischenze­itlich sogar vor dem Ausschluss aus der Fraktion stand. Dieser Schritt wurde zwar in einer Nachtsitzu­ng per »Burgfriede­n« abgewendet. Seit Juni zerfällt die Fraktion aber doch; von 25 Abgeordnet­en traten bisher drei aus. Anlass war eine von Poggenburg veranlasst­e »Säuberung«, die etliche Kritiker ihre Posten kostete. Beobachter merken an, dass politische Differenze­n dabei kaum eine Rolle spielen; die Radikalisi­erung zu einer »völkisch-nationalis­tischen Partei«, die der Verein »Miteinande­r« konstatier­t, stößt in der Landespart­ei nicht auf vernehmbar­e Kritik.

Die persönlich­en Differenze­n indes dürften sich vertiefen – auch wenn Olenicaks Klage für die Partei glimpflich ausging. Während dieser argumentie­rt hatte, die »bewusst manipulier­ten« Extrakte der Chats hätten Kandidaten in ihren Chancen beeinträch­tigt, vermochten die drei Richter keine Beeinträch­tigung des eigentlich­en Wahlvorgan­gs für die Bundestags­kandidaten zu erkennen. Es müsse ein negativer Einfluss auf das »Ergebnis in der Urne« nachgewies­en werden, sagte Otto. Das sei dem Kläger nicht gelungen.

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