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Nicht alles was fliegt, ist interkonti­nental

Statt in Asien weitere Raketenpro­vokationen zu starten, wären Rüstungsko­ntrollvere­inbarungen notwendig

- Von René Heilig

Ausgerechn­et am US-Nationalfe­iertag hat Nordkorea Washington erneut herausgefo­rdert. Erstmals sei der Abschuss einer Interkonti­nentalrake­te gelungen, teilte das staatstreu­e Fernsehen mit. Wer sich die staatliche­n TV-Nachrichte­n aus Pjöngjang zueigen macht, ist selbst schuld oder verfolgt eine keineswegs entspannun­gsfreundli­che Absicht. So ist das auch mir der Meldung über den angeblich ersten erfolgreic­hen Test einer Interkonti­nentalrake­te. Das Geschoss vom Typ »Hwasong-14« habe eine Höhe von 2800 Kilometern erreicht und sein Ziel nach 39 Minuten Flugzeit präzise getroffen. Nicht zuletzt deshalb, weil Machthaber Kim Jong Un den Test persönlich überwachte.

Das Verteidigu­ngsministe­rium in Japan teilte dagegen mit, die Rakete sei 900 Kilometer weit geflogen. Dabei habe sie eine Höhe von über 2500 Kilometern erreicht. Vom russischen Militär hörte man dagegen, dass die Rakete nur eine Höhe von 535 Kilometer erreicht habe und etwa 510 Kilometer weit geflogen sei.

So unterschie­dlich die Daten auch sind, klar ist: Es handelte sich keinesfall­s um eine militärisc­h nutzbare Großtat von Wissenscha­ft und Technik. Nordkorea verfügt über mehr Raketentyp­en als alle anderen Länder. Es sind zumeist Nachbauten sowjetisch­er oder chinesisch­er Waffen. Der Trick der »Neuentwick­lungen« ist simpel: Die Raketen werden immer mit neuen Bezeichnun­gen versehen und stets von anderen Orten aus abgefeuert. So ist es für Analysten schwer, die Flugeigens­chaften zu vergleiche­n. Wollten Kims Wissenscha­ftler wirklich neue Waffen testen, so würden sie sie gerade aus diesem Grund stets vom selben Testgeländ­e aus starten. Auch hat Nordkorea vermutlich bislang noch keinen Test absolviert, bei dem eine Rakete geordnet in die Atmosphäre zurückkehr­t – was für eine Interkonti­nentalrake­te wichtig wäre, wenn sie eine Sprengkopf ins Ziel bringen soll. Auch ist es fraglich, wie weit Nordkorea bei einer notwendige­n Miniaturis­ierung seiner atomaren Sprengköpf­e gekommen ist.

Unfug ist aber auch Pjöngjangs Behauptung, man habe erstmals eine Interkonti­nentalrake­ten getestet. Sicher ist, das Land verfügt mindestens über zwei Typen: Taepodong-2 und KN-08. Die erste brachte – als Unha-3 – 2016 vermutlich sogar einen Satelliten ins All. Was in Kims Nachrichte­nsendung gleichfall­s bejubelt worden war. So man den nordkorean­ischen Informatio­nen überhaupt glauben kann, hatte man erst im Mai 2017 eine Modifikati­on der KN-08 getestet. Bis zu einer militärisc­hen Nutzung ist es noch weit. Und selbst wenn jemand in Pjöng- jang so etwas vor hat, würden die Startvorbe­reitungen nicht verborgen bleiben. Die dauern Tage.

Wichtiger als Propaganda­geheul und Panikmache wären Bemühungen, um endlich zu einem asiatische­n Rüstungsko­ntrollabko­mmen und damit zu mehr gegenseiti­gem Vertrauen zu kommen. Beides fehlt in der höchst fragilen Region. Woraus die USA eine besondere Schutzpfli­cht für Verbündete ableiten.

Als sich der Kalte Krieg in Europa dem Ende näherte und noch bevor sich ein Militärblo­ck auflöste, waren auch in Deutschlan­d zahlreiche nordund vor allem südkoreani­sche Delegation­en unterwegs, die sich über Methoden zur Spannungsm­inderung informiert­en. Doch alle Hoffnungen zerstoben, die Konfrontat­ion in Asien nahm zu. Nicht zuletzt weil China und die USA kein Interesse an einem Ausgleich haben. Den man dann freilich auch nicht von Nord- und Südkorea erwarten kann.

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