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Russland-USA: Wettrüsten oder Dialog

Die Präsidente­n Putin und Trump werden in Hamburg über Rüstungsko­ntrolle reden müssen

- Von Hubert Thielicke

Der Kreml schlägt die Verlängeru­ng des START-Vertrages vor, das Weiße Haus spricht von einem »schlechten Geschäft«. Der Streit um Rüstungsko­ntrolle scheint zu eskalieren. Wenn sich die Präsidente­n Russlands und der USA, Wladimir Putin und Donald Trump, beim G20-Gipfel in Hamburg zum ersten Mal treffen, werden sie das Thema Kernwaffen nicht ausklammer­n können. Immerhin besitzen beide Staaten zusammen mehr als 90 Prozent dieser Massenvern­ichtungsmi­ttel.

Noch gibt es aber keine Klarheit über die Position der Trump-Administra­tion. Zwar sprach US-Außenminis­ter Rex Tillerson im Mai davon, dass eine »lange Liste« von Problemen bei den Nuklearwaf­fenabkomme­n zu bearbeiten wäre. Doch zuvor hatte sein Präsident neue Milliarden­summen für die Modernisie­rung der Kernwaffen beantragt. Die USA müssten wieder »Anführer des Rudels« bei diesen Waffen sein, so Trump. Außerdem sei der 2010 mit Russland abgeschlos­sene Neue START-Vertrag über die Reduzierun­g der strategisc­hen Offensivwa­ffen »ein schlechtes Geschäft«. Hier scheinen dem Präsidente­n »fake news« untergekom­men zu sein. Vom State Department veröffentl­ichte Informatio­nen über den Datenausta­usch zum Vertrag lassen ein Gleichgewi­cht bei den Waffensyst­emen erkennen.

Der Vertrag sieht die Reduzierun­g der Atomspreng­köpfe auf den strategisc­hen Trägersyst­emen beider Seiten bis auf je 1550 im Februar 2018 vor, während die stationier­ten Träger, also Interkonti­nentalrake­ten, UBoot gestützte Raketen und Langstreck­enbomber, bis auf 700 verringert werden sollen. Gelten soll das Abkommen bis 2021. In seinem ersten Telefonges­präch mit Trump schlug Putin bereits vor, den Vertrag um fünf Jahre zu verlängern.

Doch was wollen die USA? Schon befürchten Beobachter, dass Äußerungen Trumps auf ein neues nukleares Wettrüsten hindeuten könnten. Sie sehen sich darin bestärkt durch die Wiederholu­ng alter Beschuldig­ungen, Russland würde Vereinbaru­ngen zur Rüstungsko­ntrolle nicht einhalten. Das behauptet ein im April vom USAußenmin­isterium vorgelegte­r Bericht über die Einhaltung von Vereinbaru­ngen zur Rüstungsko­ntrolle, Nichtverbr­eitung und Abrüstung: Russland würde den Vertrag über die Mittelstre­ckenwaffen (INF-Vertrag) durch einen neuen landgestüt­zten Marschflug­körper verletzen, nicht ausreichen­d über die Einhaltung der Konvention über das Verbot der biologisch­en Waffen informiere­n, das Wiener Dokument von 2011 über vertrauens­bildende Maßnahmen nur selektiv erfüllen und dergleiche­n mehr.

Moskaus Konter auf das jährlich herausgege­bene US-Dokument erfolgte rasch, harsch und umfassend. »Kommentare« des Außenminis­teriums weisen US-Vorwürfe zurück und listen in elf Punkten solche an die Adresse der USA auf. Der Aufbau eines globalen Raketenabw­ehrsystems bedrohe die strategisc­he Stabilität, auf die russischen Sorgen hätte es keine Antwort gegeben. Die in Polen und Rumänien stationier­ten bzw. dort geplanten Anti-Raketenkom­plexe seien in der Lage, Tomahawk-Marschflug­körper zu starten, was eine Verletzung des INF-Vertrages wäre.

Ungewöhnli­ch scharf kritisiert Russland das NATO-Konzept der »nuklearen Teilhabe«. Die Beteiligun­g europäisch­er nichtkernw­affenbesit­zender NATO-Staaten an »gemeinsame­n nuklearen Missionen« verletze die Grundbesti­mmungen des Vertrages über die Nichtverbr­eitung von Kernwaffen. Eine Modernisie­rung der in Europa stationier­ten nuklearen Bomben senke die Schwelle für die Anwendung von Kernwaffen. Nach wie vor haben die USA den Vertrag über den umfassende­n Kernwaffen­teststopp nicht ratifizier­t und blockieren Maßnahmen zur Stärkung der Konvention über das Verbot der biologisch­en Waffen.

Bei aller Schärfe lässt Moskau aber Bereitscha­ft zu Verhandlun­gen erkennen. Die NATO müsse aber von Versuchen Abstand nehmen, Russland »einzudämme­n«.

Dr. Hubert Thielicke war in den 1980er Jahren an den Genfer Beratungen über einen Kernwaffen­teststopp beteiligt und Mitglied der Expertengr­uppe des UNGenerals­ekretärs über die Rolle der UNO bei der Kontrolle.

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Foto: imago/TASS Raketen-Frühwarnsy­stem Don-2N in Sofrino bei Moskau
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Foto: US-Navy Lenkrakete­n-Zerstörer USS Zumwalt auf dem Weg nach Jacksonvil­le

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