Dicke Frauen, gierige Diebe
Irans frühe Kulturen sind Thema einer Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn
Ein großes Problem für die Archäologen sind die vielen Diebstähle. Alles wird eingesackt und soll in westlichen Auktionshäusern höchstbietend verscherbelt werden.
Rauschende Feste müssen das gewesen sein. Getanzt wurde und getrunken. So zumindest scheint es mit Blick auf die uralten Keramikfunde aus dem Gebiet des heutigen Iran. Auf Tonschalen etwa sieht man schematische Gestalten, wie sie sich in langen Reihen an den Händen halten – fast wie beim Sirtaki. Bewirtet wurde die Festgesellschaft aus Krügen mit beachtlichem Fassungsvermögen. Man brachte sich wohl mit einer Art Ur-Bier in Stimmung. Reste des Gebräus waren noch an den Innenwänden nachweisbar, nach 7000 Jahren.
Ganz weit zurück in die iranische Frühzeit schaut die Bonner Bundeskunsthalle; auf jahrtausendealte Kulturen »zwischen Wasser und Wüste«, die hierzulande weithin unbekannt sind. Denn bisher standen vor allem die Perser und ihr glänzendes Großreich im Rampenlicht. Kaum interessierte dagegen die mannigfache Vorgeschichte, die sich in den Tälern der Gebirge, an den Rändern der Wüsten oder am Ufer des Kaspischen Meeres abspielte. In solchen Nischen haben die Menschen sich niedergelassen und ihr Auskommen gefunden, konnten ihre Kultur oft abgeschottet und deshalb ungestört vor fremden Einflüssen ausformen. So erklärt sich auch die in Bonn ausgebreitete Vielfalt an Techniken, Materialien, Motiven.
Die Schau startet mit den ersten Bauern oder Hirten, die im 8. Jahrtausend vor Christus in der Gegend sesshaft wurden, viel früher also als in Europa. Und sie endet mit der Gründung des persischen Großreichs vor 2500 Jahren. Eine gewaltige Spanne, die mit rund 400 Ausstellungsstücken belegt werden kann. Viele hatten die Region noch nie verlassen. Sensationell scheint das – zumal erst kürzlich die in Berlin geplante Schau mit moderner Kunst aus dem Museum in Teheran geplatzt war, weil Iran keine Ausfuhrgenehmigung erteilen wollte.
Mit Bonn hat die Kooperation nun also funktioniert – und wurde sicher auch begünstigt durch die langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit iranischer und deutscher Archäologen. Vieles haben sie herausgefunden über jene Zeit. Aber einiges scheint auch weiterhin ziemlich rätselhaft. Zum Beispiel jene beleibte Frauengestalt aus dem 7. Jahrtausend vor Christus: Pablo Picasso kommt einem in den Sinn, vielleicht auch Hans Arp, beim Blick auf ihre kugeligen Brüste und die konisch zulaufenden Beine der nicht einmal sieben Zentimeter messenden Figurine. Arme und Füße hat sie nicht, selbst der Kopf ist auf eine dünne Säule reduziert.
In eine andere Epoche, die Bronzezeit, führen die erst 2001 von der Polizei beschlagnahmten Objekte aus der Gegend um Dschiroft im Süden des heutigen Iran. Wieder einmal waren Diebe schneller als die Archäologen – ein großes Problem für die Forschung. Wie gründlich die Räuber diesmal zu Werke gegangen sind, belegt in der Schau das Foto eines total durchlöcherten Gräberfeldes. Alles wurde eingesackt und sollte in westlichen Auktionshäusern höchstbie- tend verscherbelt werden. In Bonn bestücken die konfiszierten Schätze nun zusammen mit später in der Gegend gefundenen Stücken ein besonders eindrucksvolles Ausstellungskapitel.
Feine Schnitzereien in weichem Speckstein zeigen da etwa Palmenhaine, ein Gewimmel von Skorpionen, Tiere, die an Wüstensträuchern äsen. Spannender noch die Kampfszenen: Gewaltige Schlangen ringen miteinander oder gegen wilde Tiere. Nichts anhaben können sie offenbar einem Helden mit langem Schopf und dicken Muskeln. Er entstammt wohl einem Mythos, von dem man allerdings wenig weiß, weil es keine Schrift gab, die ihn hätte überliefern können. Mehr bekannt ist über ein anscheinend beliebtes Gesellschaftsspiel, wie man es vielleicht in den Teehäusern der ersten urbanen Siedlungen spielte, die sich in der Region vor etwa 5000 Jahren bildeten. Die Ausstellung zeigt die kunstvoll gestalteten Spielbretter aus Speckstein dazu, die Regeln sind auf babyloni- schen Keilschrifttafeln aus dem ersten Jahrtausend vor Christus bekannt.
So schaut der Besucher und staunt etwa über tönerne Modellköpfe mit kunstvollen Frisuren, geflügelte Fabelwesen in Silber und Kampfszenen in Gold. Über spitze Dolche in Bronze und verrückte Schnabelkannen, die auf zwei Vogelbeinen stehen. Bis er schließlich zum erst 2007 entdeckten Grab zweier elamischer Prinzessinnen gelangt, die im 6. Jahrhundert vor Christus den Tod fanden und reich bepackt auf die Reise ins Jenseits geschickt wurden: Schmuck und Kultgeschirr aus Gold, Silber, Bronze, Eisen, Stein und Elfenbein fand man in ihrer Grabstätte. Verzierte Pfannen mit langem Stiel, einen eleganten Kandelaber auf hohem Fuß und etliche goldene Armreifen.
Wer nun vom Gucken, vom Staunen und vom Lesen der vielen, vielen Wandtexte in der Ausstellung erschöpft ist, mag im persischen Paradiesgarten auf dem Museumsvorplatz Erholung finden. Zwischen Lehmmauern gedeihen dort Orangen, Erdbeeren und Granatäpfel, Rosen, Iris oder auch Wildtulpen. Es plätschern die Brunnen, und der Duft exotischer Kräuter liegt in der Luft. Die Bundeskunsthalle stellt hier wirklich einiges an, um ihren Gästen ein altes persisches Sprichwort plausibel zu machen: »Man muss nicht erst sterben, um ins Paradies zu gelangen, solange man einen Garten hat.«