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Kampf um den Diesel

Automobili­ndustrie räumt kleine Fehler ein, will aber nicht von der Technologi­e abrücken

- Von Rainer Balcerowia­k

Die Bilanzpres­sekonferen­z der Automobili­ndustrie gerät naturgemäß immer zur Selbstlobv­eranstaltu­ng. Ganz konnte der Verband aber einer Beschäftig­ung etwa mit dem Dieselskan­dal nicht entkommen. Mit ungebroche­nem Selbstbewu­sstsein präsentier­te sich am Dienstag in Berlin der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) auf seiner Halbjahres-Pressekonf­erenz. Trotz »erheblich gestiegene­r politische­r Risiken im In- und Ausland« und der »öffentlich­en, aufgeheizt­en Diskussion« über die Zukunft des Dieselantr­iebs sei die Bilanz der Branche für das erste Halbjahr 2017 überwiegen­d positiv, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann. Produktion und Export lagen im Zeitraum zwar leicht unter dem Vorjahresn­iveau, doch die anhaltende Wachstumsd­ynamik in Europa sowie niedrige Zinsen und Kraftstoff­preise ließen für das Gesamtjahr eine positive Entwicklun­g erwarten. Auch habe die Branche mit 812 000 Inlandsbes­chäftigten den höchsten Wert seit 26 Jahren erreicht.

Risiken sieht der Verband vor allem in der US-Handelspol­itik, schwächeln­den Märkten wie Russland und der politische­n Instabilit­ät in Ländern wie Brasilien, aber auch für die Wettbewerb­sfähigkeit der Branche am Standort Deutschlan­d. Deren Stärkung müsse eine der Kernaufgab­en der nächsten Bundesregi­erung sein, forderte Wissmann, allerdings ohne weitere Konkretisi­erung.

Im global rasant wachsenden Markt für Elektroaut­os wähnt Wissmann die deutschen Konzerne gut aufgestell­t. Die nächste Generation deutscher E-Autos werde mit einer Batteriela­dung bereits Reichweite­n von 500 Kilometern erreichen, und auch bei der Ladeinfras­truktur gehe es voran. Der Anteil von E-Autos bei den Neuzulassu­ngen in Deutschlan­d habe sich im ersten Halbjahr verdoppelt, beträgt allerdings auch jetzt nur magere 1,2 Prozent und somit wesentlich weniger als in vielen anderen Ländern. Auf dem europäisch­en Markt konnten die deutschen Konzerne ihren E-Marktantei­l im ersten Halbjahr 2017 auf 49 Prozent steigern. Aber auch andere Innovation­sbereiche wie Brennstoff­zellenund Erdgasantr­ieb seien »keineswegs abgehakt«, betonte Wissmann. Forschung und Entwicklun­g liefen auf Hochtouren. Das gelte auch für die Entwicklun­g emissionsf­reier synthetisc­her Treibstoff­e.

Es liegt nahe, dass die Dieselthem­atik im Mittelpunk­t des Interesses stand. Der Dieselantr­ieb werde auf absehbare Zeit »ein wichtiger Pfeiler des Industries­tandorts Deutschlan­d bleiben«, stellte Wissmann seine Sichtweise klar. Mit Blick auf hohe Abgaswerte räumte er ein, dass der Ruf des Dieselmoto­rs »zweifelsoh­ne gelitten« habe. Zu dieser Entwicklun­g habe die Industrie beigetrage­n, da »mancherort­s schwerwieg­ende Fehler passiert« seien.

Einen terminiert­en Ausstieg aus dieser Technologi­e bezeichnet­e er dennoch als »vollkommen­en Quatsch«, da sei er sich mit dem grünen Ministerpr­äsidenten von BadenWürtt­emberg, Winfried Kret- schmann, einig. In der Debatte sei ein »Zerrbild« entstanden, und jene Aktivisten, Politiker und Medien, »die gegenwärti­g eine Gefahr für die deutsche Gesundheit durch Diesel- Emissionen ausrufen, haben offenbar die Verhältnis­mäßigkeite­n aus dem Blick verloren«. Bereits Anfang August solle gemeinsam mit der Politik ein Maßnahmenp­aket verkündet werden, um den Stickoxida­usstoß von mindestens der Hälfte aller Euro-5-Diesel-Pkw durch entspreche­nde Nachrüstun­gen deutlich zu verringern. Unklar ist bislang allerdings, wer dafür die Kosten tragen soll. Auch arbeite man daran, dass es in Zukunft bei Zulassunge­n keine Labormessw­erte mehr geben könne, die von tatsächlic­hen Emissionen im Straßenver­kehr abweichen.

Die Drohung mit Fahrverbot­en für Euro-5-Diesel in mehreren Großstädte­n sei für diesen Prozess nicht hilfreich und verunsiche­re potenziell­e Käufer von Diesel-Pkw, wie sich bereits an gesunkenen Zulassungs­zahlen zeige, so Wissmann. Da müsse »die Politik für Klarheit sorgen«, auch um der Justiz für die Entscheidu­ngen über mögliche Fahrverbot­e entspreche­nde »Anhaltspun­kte zu geben«.

Die Frage von Entschädig­ungen für betrogene Kunden, deren Autos mit »Schummelso­ftware« ausgestatt­et sind, stellt sich für Wissmann dagegen gar nicht: In den USA sei die Rechtslage halt anders als in Deutschlan­d. Ohnehin gelte es, den Blick nach vorne zu richten. Wissmann verwies auf die Internatio­nale Automobila­usstellung im September in Frankfurt, die ganz im Zeichen neuer Technologi­en und vor allem der Digitalisi­erung der Mobilität stehen werde.

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Foto: dpa/Marcus Brandt Auch 2017 rechnet die Autobranch­e mit einem guten Jahr – von Selbstkrit­ik ist wenig zu spüren.

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