nd.DerTag

Alte Menschen als Profitquel­le

Für Finanzinve­storen werden Pflegeheim­e und andere Sozialimmo­bilien immer interessan­ter

- Von Hermannus Pfeiffer

In Hamburg will ein privater Investor den größten Pflegeheim­betreiber der Stadt kaufen. Kritiker fordern, der rot-grüne Senat solle den Betreiber »Pflegen & Wohnen« stattdesse­n rekommunal­isieren. Die Pflege alter Menschen wird zum beliebten Geschäftsm­odell. Ein Filetstück steht jetzt in Hamburg im Schaufenst­er: Der größte Pflegeheim­betreiber der Stadt, »Pflegen & Wohnen«, soll offenbar an den US-Investor Oaktree verkauft werden. Damit werde die Pflege dem Profitstre­ben unterworfe­n, befürchtet Deniz Celik, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Linksfrakt­ion in der Bürgerscha­ft. An die rot-grünen Regierungs­fraktionen gewandt, fordert Celik: »Wenn sie ihrer Verantwort­ung für die Menschen gerecht werden wollen, gibt es zur Rekommunal­isierung keine Alternativ­e.«

Oaktree ist nicht der einzige Finanzinve­stor, der sich mittlerwei­le besonders für Sozialimmo­bilien interessie­rt. Beflügelt wird dies von den Entwicklun­gen auf dem deutschen Immobilien­markt. So sind die Preise für Wohngebäud­e – vor allem in Metropolen – rasant gestiegen und zwar schneller als die Mieten. Wohnimmobi­lien sind für Investoren daher oft zum heiklen Business geworden. Als schwierig gelten in der Branche inzwischen auch Büro- und Logistikfl­ächen. Die lange Zeit gute Konjunktur der deutschen Wirtschaft, hohe Gewinne der Unternehme­n und billige Kredite haben dazu geführt, dass viele Projekte bereits gebaut wurden oder in Planung sind.

Aufgrund der niedrigen Renditen anderer sicherer Geldanlage­n setzen große Investoren wie die Versichere­r verstärkt auf Immobilien. Diese verspreche­n keine Traumrendi­ten, aber einen soliden Gewinnflus­s. Was die Nachfrage seit einigen Jahren zusätz- lich befeuert. Der Immobilien­markt gilt zwar noch nicht flächendec­kend als gesättigt, aber es wird schwierige­r, lukrative Projekte ausfindig zu machen.

Dazu kommen wirtschaft­liche und politische Unsicherhe­iten, welche die Finanzbran­che bewegen. In vielen entwickelt­en Industrien­ationen hat sich das Trendwachs­tum deutlich abgeschwäc­ht – so auch in Deutschlan­d. Gegenwärti­g überstrahl­t die dynamische Konjunktur diese schleichen­de Wachstumss­chwäche.

In diesem Zusammenha­ng ist der demografis­che Wandel für die Volkswirts­chaft von besonderer Bedeutung. Er werde die Entwicklun­g des Erwerbsper­sonenpoten­zials, des Kapitalsto­cks und des technische­n Wissens dämpfen, erwartet die Deutsche Bank in einer Analyse: »Bis 2025 dürfte sich das deutsche Trendwachs­tum somit nochmals halbieren auf dann nur noch 0,75 Prozent.« Ob die Abschwächu­ng durch die Migra- tion aufgefange­n werden kann, ist umstritten.

Gleichzeit­ig gilt die zunehmende und konsumfreu­dige Ü-60-Bevölkerun­g als wachsender Markt für Reisen, Gesundheit und Pflege. Auf dem Immobilien­markt sind daher Hotels besonders gefragt – und Sozialimmo­bilien wie Kliniken und Pflegeheim­e.

»Das Geschäft«, heißt es bei der Bremer Landesbank, »hat sich über die Jahre laufend erweitert, denn der Markt für Pflegeeinr­ichtungen expandiert.« Gleichzeit­ig gibt es Konzentrat­ionstenden­zen. Denn Betreiber verspreche­n sich von einer großen Bettenzahl entspreche­nd bessere Chancen im Wettbewerb.

2007 hatte der CDU-Senat die hamburgisc­hen Pflegeheim­e für 65 Millionen Euro an die Berliner Firma Vitanas und die Andreas-FrankeGrup­pe in Hamburg verkauft. Der Privatisie­rungsvertr­ag verbot einen Verkauf binnen zehn Jahren. Diese Frist endet nun.

Die beiden Mittelstän­dler wollen offensicht­lich Kasse machen und planen einen Verkauf aller Pflegeheim­e an den Finanzinve­stor Oaktree. Von 500 Millionen Euro ist in Hamburg die Rede. Der Großteil davon würde auf das Filetstück »Pflegen & Wohnen« (13 Heime mit 2700 Plätzen) entfallen. Vitanas soll bundesweit 44 Einrichtun­gen mit 5700 Plätzen betreiben.

Welche Möglichkei­ten die Politik im Hamburger Fall hat, ist umstritten. »Die Stadt hat kein Vorkaufsre­cht und kann den Verkauf auch nicht verhindern«, sagte Gesundheit­ssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Dagegen fordert die LINKE, »ernsthaft« zu prüfen, wie das Unternehme­n »Pflegen & Wohnen« wieder in städtische­n Besitz überführt werden kann. Die Verkaufsab­sicht der jetzigen Besitzer biete eine Chance zur Rekommunal­isierung. Zumindest solle die Stadt von ihrem Vorkaufsre­cht für die Grundstück­e Gebrauch machen.

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