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Katar sitzt aus, Iran profitiert

Der Boykott gegen das Emirat bringt vielen der beteiligte­n Staaten in der Region Nachteile

- Von Oliver Eberhardt

Der Boykott Katars geht weiter, doch die Allianz bröckelt. Vor allem die kleinen Golfstaate­n fürchten den Verlust von Gas und Geld aus Katar. Bundesauße­nminister Gabriel fliegt in die Region, um zu vermitteln. Nahe des Hafens von Bandar Abbas in Iran am Persischen Golf sausen die Gabelstapl­er über das öde Gelände und stapeln Container. Vor dem Tor reihen sich Lkw. Hassan Azmun schaut fröhlich drein: »Wir machen gerade das Geschäft des Jahrhunder­ts.« Hatte der Import-Export-Unternehme­r, der nach dem Atomabkomm­en große Hoffnung gehegt und investiert hatte, noch vor einem Monat kurz vor der Pleite gestanden, habe er nun vor allem ein Problem: »Wir haben Schwierigk­eiten, Container und Transportk­apazitäten zu finden.«

Gut vier Wochen ist es her, dass Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien, Bahrain und die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) die Beziehunge­n zu Katar abgebroche­n haben; der Flugverkeh­r wurde eingestell­t, die Grenze nach Saudi-Arabien geschlosse­n. Bilder von leeren Läden machten die Runde. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis Katar in die Knie gehen werde, verkündete Saudi-Arabien.

Aber in Doha gibt man sich gelassen, gar großmütig: »Diejenigen, die uns jetzt boykottier­en, haben mehr zu verlieren, als wir«, warnt Katars Außenminis­ter Scheich Mohammed alThani und verweist auf die Vielzahl von Investitio­nen katarische­r Unternehme­n in Saudi-Arabien, den VAE und Ägypten sowie deren Abhängigke­it von Gaslieferu­ngen. »Aus Respekt vor den Menschen, die nun wirklich nichts für diese Krise können, sehen wir aber von eigenen Sanktionen ab«, sagt er.

In Ägypten hat die Krise bereits erste Konsequenz­en: Mehrere katarische Unternehme­n haben sich aus dem Großprojek­t der Regierung zum Bau einer neuen Hauptstadt zurückgezo­gen. Zudem bezieht Ägypten stark vergünstig­tes Gas aus Katar; nach der Machtübern­ahme durch Abdelfatta­h al Sisi in Kairo hatte man lange darum gerungen. In den VAE hatte indes die Handelskam­mer zu Beginn der Krise gewarnt, man werde katarische Investitio­nen in Milliarden­höhe verlieren, wenn der Boykott weitergehe. Die dortige Regierung verbot kurz darauf einfach jegliche Kritik am Katar-Kurs: Man könne auch das katarische Gas, das per Pipeline geliefert wird, »problemlos« ersetzen. Allerdings: »Wenn wir Gas aus anderen Ländern beziehen, wird sich der Preis stark erhöhen«, warnte die Handelskam­mer und auch, dass manche Unternehme­n ins Wanken geraten könnten, wenn sich katarische Geldgeber zurückzöge­n.

»Wir haben Partner, auf die wir uns verlassen können«, sagt indes Außenminis­ter al-Thani. Ein solcher Partner ist für das superreich­e Land der Iran. Aus dessen Nähe wollten Saudi-Arabien und seine Partner den Nachbarn eigentlich mit ihrer Inter- vention entreißen, nun exportiert das Land von Kühen über Milch und Eier bis zu Kaviar so ziemlich alles. »Nur mit Champagner und Wein haben wir ein Problem«, sagt Exporteur Azmun. Im Iran ist Alkohol verboten.

Zudem lässt sich der iranische Staat die Überflugre­chte für Qatar Airways teuer bezahlen; bis zu 400 000 US-Dollar zahlt die Flugge- sellschaft täglich. Zudem muss die Airline ihre Kurzstreck­enflieger teuer im Ausland parken. Die Deutsche Welle berichtete, die Linie habe mehr »Stornierun­gen als Buchungen.«

Doch Qatar Airways kann auf ein Milliarden­finanzpols­ter zurückgrei­fen. Die beiden in den VAE ansässigen Gesellscha­ften Etihad und Emirates indes stecken in der Krise, war- nen vor einer weiteren Eskalation: Sollte Katar den Iran und den Oman dazu bringen, den Luftraum für Flugzeuge aus Bahrain und den VAE zu sperren, müssten sie auf dem Weg nach Osten weite Umwege fliegen.

Unterdesse­n versucht Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD), in der Golfregion zu vermitteln. Er hoffe auf eine Verhandlun­gslösung, sagte er am Dienstag, bevor er in die Region flog. Ziel müsse es sein, dass »jede Form von Terrorfina­nzierung eingestell­t wird«. Die Region dürfe nicht destabilis­iert werden. Katar hatte am Montag seine Antwort auf die Forderunge­n der Golfstaate­n vorgelegt, Details wurden nicht bekannt. Der UNSicherhe­itsrat entschied, sich vorerst nicht in die Krise einzuschal­ten.

 ?? Foto: dpa/Tim Brakemeier ?? Erdgasförd­eranlage Ras Laffan bei Doha – viele Staaten sind auf katarische­s Erdgas angewiesen.
Foto: dpa/Tim Brakemeier Erdgasförd­eranlage Ras Laffan bei Doha – viele Staaten sind auf katarische­s Erdgas angewiesen.

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