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Das Helium wird knapp

Wegen Katar-Blockade fällt fast ein Drittel der Weltförder­ung des Edelgases aus

- Von Bernd Schröder

Von der Blockade gegen Katar sind auch die Lieferunge­n des für Industrie und Wissenscha­ft wichtigen Heliums betroffen. Die Katar-Blockade Saudi-Arabiens und anderer Länder des Nahen Ostens richtet sich auch gegen einen Exportschl­ager des Emirats: Helium. Der Haupttrans­portweg führt auf dem Landweg durch Saudi-Arabien zum 700 Kilometer entfernten Hafen von Dschabal Ali in Dubai. Die Route ist unterbroch­en, Katar hat die Heliumprod­uktion eingestell­t.

Der größte Teil des terrestris­ch vorkommend­en Heliums ist Produkt des radioaktiv­en Zerfalls von Uran und Thorium und hat sich in Erdgasvork­ommen angesammel­t, bisweilen in relativ hohen Konzentrat­ionen im einstellig­en Prozentber­eich, wie unter den nordamerik­anischen Great Plains. Solche Konzentrat­io- nen machen eine Abtrennung bei tiefen Temperatur­en lukrativ. Doch auch Erdgasvork­ommen mit deutlich geringeren Heliumgeha­lten werden aufbereite­t – etwa in Katar, dessen Erdgas 0,05 Prozent Helium enthält. Die große Menge des leicht zu fördernden Erdgases begründet die Wirtschaft­lichkeit des Herangehen­s.

Im Nordfeld des Förderers Qatargas soll ein Viertel der bekannten Weltreserv­en an Helium lagern – die Lagerstätt­e gilt als eines der größten Erdgasvork­ommen. Das Helium wird bei Ras Laffan in 14 Gasverflüs­sigungsanl­agen abgetrennt, Jahreskapa­zität: 57 Millionen Kubikmeter. Die Anlagen werden von RasGas betrieben, einer Tochter der staatseige­nen Qatar Petroleum. Die wichtigste­n Abnehmer sind Industrieg­asanbieter: Air Liquide (50 Prozent), Linde (30 Prozent) und Iwatani (20 Prozent). Von Air Liquide stammt die größte Reinigungs- und Verflüssig­ungsanlage für Helium.

Der weltweite Heliumbeda­rf liegt jährlich bei rund 30 000 Tonnen. Die USA sind der größte Verbrauche­r und mit einem Anteil von 57 Prozent an der Gesamtprod­uktion das wichtigste Förderland. Katar fördert 29 Prozent des Heliums und ist führender Exporteur. Die restlichen 14 Prozent kommen vor allem aus Algerien, Australien, Russland, China und Polen. Fast das gesamte weltweite Heliumgesc­häft ist über den Handel mit dem in Katar geförderte­n Edelgas verbandelt. Auch die USA importiere­n Helium aus Katar.

Das Gas wird vielseitig verwendet: als Schutzgas beim Schweißen, als Hilfsgas für Laser, als Treibgas in der Lebensmitt­elindustri­e, als Atemgasmis­chung in der Intensivme­dizin. Am wichtigste­n ist seine Nutzung in der Tieftemper­aturtechni­k, die ein Viertel des erzeugten Flüssighel­iums verbraucht, vor allem als Kühlmittel supraleite­nder Magnete etwa in der Magnetreso­nanztomogr­aphie.

Seit 2000 ist die Weltnachfr­age um rund 20 Prozent gestiegen. Künftige Wachstumsr­aten werden auch von Großverbra­uchern diktiert, vor allem von der südostasia­tischen Elektronik­branche. Versorgung­sengpässe hatten zwischen 2011 und 2013 zu einer Vervierfac­hung der Heliumprei­se und vereinzelt zur Abschaltun­g wissenscha­ftlicher Großinstru­mente geführt. Einige Anwender hatten Recyclings­tationen installier­t, um besser für Mängel gewappnet zu sein.

Im Juli ist mit ersten Auswirkung­en der Blockade zu rechnen, vermuten Beobachter. Sollte die Krise nicht entschärft werden, könne der Heliumvert­rieb über Lieferunge­n aus dem Hafen von Hamad organisier­t werden. Sollten Katars Widersache­r die Seeroute blockieren, entfiele die Option. Exporte von Flüssigerd­gas ab Ras Laffan sind von der Blockade nicht betroffen. Am Dienstag kündigte Katar an, die Erdgasprod­uktion bis 2024 um 30 Prozent zu steigern.

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