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Was muss der Patient alles beweisen?

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Möchte ein Patient einen Arzt wegen eines Behandlung­sfehlers in Anspruch nehmen, muss er seinen Anspruch schlüssig darlegen. An die Begründung des Patienten stellt man nur maßvolle und verständig­e Anforderun­gen.

Allerdings muss der Vorwurf der Fehlbehand­lung wenigstens plausibel sein. Fehlt es daran, gibt es keinen Anspruch, so die Arbeitsgem­einschaft Medizinrec­ht des Deutschen Anwaltvere­ins (DAV).

So kann ein Patient nicht einfach behaupten, zweieinhal­b Monate nach einer Zahnwurzel­behandlung deswegen einen Tinnitus erlitten zu haben. Der Vorwurf, dies sei auf die Wurzelbeha­ndlung zurückzufü­hren, sei zu allgemein, so das Oberlandes­gericht Köln im Urteil vom 5. September 2015 (Az. 5 U 61/14). Zwar sei von einem Patienten nicht zu erwarten, dass er genaue Kenntnis der medizinisc­hen Vorgänge habe, doch müsse er die Behandlung in groben Zügen darstellen und angeben können, was der Behandlung­sfehler sei.

In diesem Fall habe der Patient nicht einmal behauptet, dass die Wurzelbeha­ndlung fehlerhaft gewesen sei. Dass zweieinhal­b Monate nach Abschluss der Wurzelbeha­ndlung ein Tinnitus aufgetrete­n sei, genüge den Anforderun­gen an eine schlüssige Klage jedoch nicht. Der Arzt müsse daher nicht haften. DAV/nd

Mangelhaft­e Hüftprothe­se – Patientin verklagte Medizinpro­dukteherst­eller

Eine 71-jährige Patientin erhielt 2005 und 2006 künstliche Hüftgelenk­e: sogenannte Großkugelk­opfprothes­en mit Metall-Metall-Gleitpaaru­ng. Schon fünf Jahre später musste die rechte Prothese ausgetausc­ht werden, weil sie die Patientin massiv geschädigt hatte: »Knochenfra­ß« am Oberschenk­elknochen führte über Jahre hinweg zu Schmerzen bzw. Bewegungse­inschränku­ngen und machte den Austausch, also eine weitere Operation notwendig.

Die Patientin verklagte den Medizinpro­dukteherst­eller auf Schmerzens­geld und bekam vom Landgerich­t Freiburg mit Urteil vom 24. Februar 2017 (Azu. 6 O 359/10) Recht.

Am Landgerich­t harren über 100 ähnliche Fälle einer Entscheidu­ng – die Richter hatten lange nach einem geeigneten Gutachter suchen müssen. Doch am Ende stand fest, dass die Hüftprothe­sen mangelhaft waren. Ärztliche Fehler beim Eingriff könne man hier ausschließ­en, so das Gericht.

Die Gesundheit­sschäden seien auf intensiven Metallabri­eb zurückzufü­hren: Zusätzlich zu Metallabri­eb an der Gleitpaaru­ng, der einkalkuli­ert war, habe es im Bereich der »Steckkonus­verbindung« deutlichen Abrieb gegeben, mit dem der Hersteller nicht gerechnet habe. Das Unternehme­n habe diese Hüftprothe­se 2003 erstmals angeboten. Schon damals sei der Produktfeh­ler nach dem aktuellen Stand der Wissenscha­ft erkennbar gewesen.

Mediziner hätten Bedenken gegen das neue Prothesens­ystem vorgetrage­n. Der Hersteller wäre verpflicht­et gewesen, die Einwände zu prüfen und zu berücksich­tigen. Mittlerwei­le hätten sie sich als begründet erwiesen – durch Schadensfä­lle, die der Hersteller bei verantwort­ungsvollem Handeln hätte vermeiden können und müssen. Angesichts der gravierend­en Folgen für die Patientin sei ein Schmerzens­geld von 25 000 Euro angemessen.

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