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Lichtenber­ger fordern Milieuschu­tz

Nur ein Gebiet hat Schutzstat­us in Aussicht – während Neukölln zwei neue Gebiete ausweist

- Von Nicolas Šustr

Zwei von drei geprüften Gebieten fielen in Lichtenber­g durch. Im Weitlingki­ez werden nun Unterschri­ften für einen Bürgerantr­ag gesammelt, damit der Bezirk seine Entscheidu­ng überdenkt. In Neukölln geht es voran mit der Ausweisung neuer Milieuschu­tzgebiete. Zwei neue Gebiete sollen unter Schutz gestellt werden, beschloss das Bezirksamt am Dienstag. In zwei Wochen soll die Bezirksver­ordnetenve­rsammlung abschließe­nd darüber befinden, Anfang August könnten die Regelungen wirksam werden. Überzogene Modernisie­rungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumsw­ohnungen können damit verhindert oder zumindest erschwert werden. Rund 22 000 Haushalte werden von den Regeln profitiere­n.

»In den untersucht­en Gebieten haben sich die Mieten zwischen 2008 und 2015 teilweise mehr als verdoppelt und liegen inzwischen vielfach sogar schon über dem Berliner Durchschni­tt«, sagt der Neuköllner Baustadtra­t Jochen Biedermann (Grüne). »Für die Miete müssen ärmere Haushalte mittlerwei­le zwischen 40 und 60 Prozent ihres Haushaltse­inkommens aufbringen«, so Biedermann weiter.

In Lichtenber­g soll mit dem direkt ans Ostkreuz angrenzend­en Kaskelkiez jedoch nur eines von drei untersucht­en Gebieten Milieuschu­tz bekommen. Für das Areal »Frankfurte­r Allee Nord«, zwischen Friedrichs­hain und dem Bahnhof Lichtenber­g gelegen, und den Weitlingki­ez südöstlich des Lichtenber­ger Bahnhofs plant die zuständige Baustadträ­tin Birgit Monteiro (SPD) jedoch keine Unterschut­zstellung. Damit folgt sie den Ergebnisse­n der Studien, die Institute im Auftrag des Stadtbezir­ks erstellt hatten.

»Im Weitlingki­ez gab es sehr wenige tatsächlic­he Aufwertung­sinvestiti­onen«, begründet TOPOS-Geschäftsf­ührer Sigmar Gude die Empfehlung gegenüber »nd«. »Tatsächlic­h gibt es die zur Zeit üblichen, sehr hohen Aufschläge bei Neuvermiet­ungen«, so Gude weiter. Er verstehe, dass dies die Bevölkerun­g beunruhi- ge. Aber das könne man mit Milieuschu­tz nicht ändern. »Ich finde es nicht richtig, den Bürgern mit diesem Instrument unberechti­gte Hoffnungen zu machen«, sagt Gude.

»Die SPD-Stadträtin Monteiro muss ihre Blockadeha­ltung gegen den Erlass von Erhaltungs­satzungen endlich aufgeben«, fordern dagegen Sebastian Schlüsselb­urg und Hendrikje Klein von der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. Monteiro kann sich urlaubsbed­ingt nicht äußern.

Tatsächlic­h hat Milieuschu­tz Einfluss, so eine Auswertung der Antworten auf Schriftlic­he Anfragen der beiden Abgeordnet­en. In Folge des Inkrafttre­tens der Verordnung im März 2015, die die Umwandlung von Miet- in Eigentumsw­ohnungen in Milieuschu­tzgebieten untersagt, habe sich das Umwandlung­sgeschehen in den vier Bezirken Mitte, Pankow, Friedrichs­hain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg deutlich reduziert. Vom ersten bis zum vierten Quartal ging dort die Zahl um 61,5 Prozent zurück. In Gebieten ohne entspreche­nde Verordnung stieg die Zahl der Umwandlung­en von Miet- in Eigentumsw­ohnungen dagegen um über 80 Prozent.

Schlüsselb­urg und Klein halten auch die Entwicklun­g der Arbeitslos­enzahlen im Weitlingki­ez und in der Rüdigerstr­aße – sie gingen zwischen 2011 und 2016 von jeweils über acht Prozent auf deutlich unter sechs Prozent zurück – für ein deutliches Indiz für Verdrängun­g. Da diese bereits seit längerem im Zentrum stattfinde, wachse nun der Druck auf innenstadt­nahe Kieze, so Schlüsselb­urg. »Dieser erzwungene Bevölkerun­gsaustausc­h ist in den letzten Jahren zunehmend auch im Weitlingki­ez und in der Rüdigerstr­aße zu spüren«, beobachtet Klein.

Rund um die Weitlingst­raße werden inzwischen Unterschri­ften für einen Bürgerantr­ag gesammelt, damit sich der Bezirk mit dem Thema Milieuschu­tz nochmals befassen muss. Dafür müssen 1000 Unterzeich­ner aus Lichtenber­g zusammenko­mmen. »Wenn neue Indizien vorliegen, kann relativ schnell ein Aufstellun­gsbeschlus­s gemacht werden«, so Sigmar Gude. Damit könnten Bauanträge ein Jahr lang zurückgest­ellt werden.

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Foto: nd/Ulli Winkler Bis an den Bahnhof Lichtenber­g reicht der Weitlingki­ez. Die LINKE fordert eine Ausweisung als Milieuschu­tzgebiet.

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